Begeisterte Teilnehmende bei der Bundestagung Handwerk und Kirche in Hamburg

Rückblick auf eine erfolgreiche Tagung in Hamburg

“Handwerk in Bewegung” – Unter diesem Motto stand die diesjährige Jahrestagung von “Handwerk und Kirche” in Hamburg. Nachgefragt: Wie lassen sich “Fachkräfte – gewinnen, ausbilden und halten”? Ob Fachtag, Betriebsbesuch oder Austausch mit Bischöfin Kirsten Fehrs – diese zentrale Fragestellung begleitete uns vom 6. bis 8. Oktober.

Zwar machte das Hamburger Wetter seinem Namen alle Ehre – Sprühregen nonstop – doch tat dies der Tagung keinen Abbruch.

Thema der Tagung war der Fachkräftemangel – ein drängendes Problem, das Handwerk und viele andere Bereiche in der Arbeitswelt herausfordert. Beim gut besuchten Fachtag – zum Auftakt in der ehrwürdigen Handwerkskammer Hamburg – präsentierten zwei Keynote-Speaker aktuelle Informationen, Trends und Fakten.


Dr. Ehsan Vallizadeh (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg)

„Wenn eine Generation in den Ruhestand geht und nicht die gleiche Anzahl an Nachwuchs zur Verfügung steht, sprechen wir vom demografischen Wandel. Wie wollen wir diese Lücke füllen, um den dringend benötigten Fachkräftebedarf zu decken?“

Dr. Ehsan Vallizadeh weist in seinem Impuls auf die Menschen hin, die bereits hier im Land sind, geflüchtet vor dem Krieg aus der Ukraine oder aus vielen anderen Ländern, die hier Asyl suchen oder schon erhalten haben. Dazu noch Menschen, die wir anwerben wollen aus dem Ausland, gern als gut gebildete Fachkräfte, die wir einladen bei uns zu arbeiten. Qualifizierte Migration ist hier ein Stichwort, das gefüllt werden will in einer Zeit, in der Flucht und Migration zu einem angstschürenden Wahlkampfthema werden kann.

Damit wird deutlich, dass hier eine enorme gesamtgesellschaftliche Transformationsleistung zu erbringen ist, um in der Pflege oder auch im Handwerk den demografischen Wandel bewältigen zu können, der in Stadt und Land noch einmal unterschiedliche Ausprägungen hat. Einen guten Wandel wird es nicht ohne Anstrengung geben, denn Menschen, die aus dem Ausland kommen müssen bleiben wollen und können. Es braucht Aus- und Weiterbildungsangebote, Wohnraum und eine Atmosphäre, die nicht von Fremdenfeindlichkeit geprägt ist. Es braucht die wechselseitige Bereitschaft zur kulturellen Integration und zu einem Leben in Vielfalt und die gemeinsame Grundlage eines verbindenden und verbindlichen Grundgesetzes. Diese Aufgabe können die Unternehmen, ob Handwerk, Handel oder Dienstleistung nur stemmen, wenn die Zivilgesellschaft diesen Wandel aktiv mitträgt und gestaltet, so dass hier sichtbar wird wo und wie Kirche und Handwerk gemeinsam aktiv werden können.

Die Präsentation von Herrn Dr. Vallizadeh finden Sie hier.

 


Jan Dannenbring (Zentralverband des Deutschen Handwerks, Berlin)

Jan Dannenbring als Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht im Zentralverband des Deutschen Handwerks hat den Überblick über die Situation im Handwerk. Sein Impuls fasst noch einmal grundlegend zusammen, worum es geht, wenn wir über fehlende Fachkräfte im Handwerk sprechen. Es braucht neue Ansätze und Haltungen, um das Handwerk zu einem attraktiven, zeitgemäßen und damit zukunftsorientierten Arbeitsplatz zu machen.

Um beispielsweise mehr Frauen oder auch junge Leute für das Handwerk zu gewinnen, müssen die Vorteile des Handwerks deutlicher hervorgehoben werden: Hier kann man Machen, Anpacken und Sehen, was man geschafft hat. Anknüpfen lässt sich auch an dem Wunsch, bloß nicht im Büro arbeiten zu wollen. Doch braucht es noch mehr Flexibilität und die Bereitschaft, mit Arbeitnehmenden gute Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Dazu kann auch eine Vier-Tage-Woche gehören, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser stemmen zu können. Ein netter Chef oder eine nette Chefin, die auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden nach guten Lösungen sucht, Verantwortung überträgt und überhaupt ein gutes Arbeitsklima gewährleistet heißt auch im Handwerk: Führung neu denken!

Dass das Handwerk schon richtig in Bewegung gekommen ist, offen und vielseitig Menschen eine Chance gibt zeigt sich in der bemerkenswerten Kampagne des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. So geht das Handwerk offen mit Flucht und Migration, aber auch mit krummen Bildungswegen um und plakatiert: “Bei uns zählt nicht, wo du herkommst, sondern wo du hinwillst.”

Die Präsentation von Herrn Dannenbring finden Sie hier.


Nach den beiden Keynotes im Plenum standen drei unterschiedliche Workshops zur Auswahl. Expert*innen aus allen Branchen der Arbeitswelt diskutieren gut drei Stunden mit den Teilnehmenden des Fachtages. Eine Zusammenfassung der Workshops finden Sie hier.

Handwerk vor Ort: Besuche bei Unternehmen in der Hansestadt

Die Betriebsbesuche führten die Teilnehmenden in drei unterschiedliche Handwerksbetriebe. Im Gespräch mit Handwerkerinnen und Handwerkern vor Ort ging es um Tradition, Innovation und Herausforderungen – so auch um die Frage der Nachwuchsgewinnung und des Fachkräftemangels.

Sanitätshaus Rosenau GmbH: Der Spezialist für Orthopädietechnik ist nicht nur nah am Menschen, sondern verändert Leben: Mit seinem Leistungsspektrum in der Reha- und Medizintechnik und seinem prothetischen Kompetenzzentrum zeigt das Sanitätshaus Rosenau, was Gesundheitshandwerk heute möglich macht – im Alltag vieler Menschen mit Beeinträchtigungen und auch im Spitzensport.

D.H.W. Schultz & Sohn GmbH: Der älteste Handwerksbetrieb Hamburgs mit einer Geschichte bis ins Jahr 1726: Was damals als Bleideckerei seinen Anfang nahm, hat sich zu einem modernen Spezial-Unternehmen für Klempnerei, Bedachung und Sanitärinstallation mit rund 50 Beschäftigten entwickelt.

HMB Hamburger Metallbildner GmbH: Eine “Ideenschmiede” im wahrsten Sinn des Wortes: Ob aus Messing, Kupfer, Bronze, Nickel, Zinn, Edelstahl oder Aluminium – das 10-köpfige Team verwirklicht nahezu jede Gestaltungsidee mit Kreativität und höchster handwerklicher Fachkompetenz. Das Leistungsspektrum reicht von historischen Beschlägen über Grabkunst bis hin zur Innenausstattung von Flugzeugen.

Ob der Einblick in die handwerkliche Expertise, in die Produktionsstätten oder der Austausch rund um Veränderungen im betrieblichen Alltag aufgrund von Digitalisierung oder Fachkräftemangel – der Besuch war ein weiterer Höhepunkt der Tagung.

Vor maritimer Kulisse erfolgte die Andacht auf der Flussschifferkirche im Hafen und der Austausch mit Bischöfin Kirsten Fehrs. Die von Bischöfin Fehrs gestaltete Andacht schuf eine besinnliche Atmosphäre und bot Raum zur Reflexion und zum Nachdenken.

Das anschließende Gespräch auf Augenhöhe mit Frau Fehrs war ermutigend. Ihre Worte und ihr Engagement für die Zusammenarbeit von „Kirche und Handwerk“ auf EKD-Ebene schufen eine wertschätzende Atmosphäre beim Get together. Auch hier standen die Herausforderungen durch die Veränderungen in der Arbeitswelt und der damit verbundene Fachkräftemangel im Fokus.

Gerne mehr davon!
Mit vielschichtigen Impulsen und Einblicken “im Koffer” endete die diesjährige Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft von Handwerk und Kirche. Wir freuen uns sehr, dass so unterschiedliche Zielgruppen an dem Fachtag und auch an den Betriebsbesuche teilgenommen haben. „Gerne mehr davon!“ war das eindeutige Fazit der Gäste. 

Danke für die gelungene Kooperation. Wir bedanken uns bei der Handwerkskammer Hamburg und der Arbeitsgemeinschaft von “Handwerk und Kirche” für die wertschätzende Zusammenarbeit. Besonderer Dank gilt auch Herrn Dr. Ehsan Vallizadeh (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg) und Herrn Jan Dannenbring (Zentralverband des Deutschen Handwerks, Berlin) für ihre spannenden Impulse und natürlich den zahlreichen Expert*innen, die uns in den Workshop unterstützt haben. 

Das KDA-Team der Nordkirche

Ein Bericht von Renate Fallbrüg und Kerstin Albers-Joram, KDA der Nordkirche 
Fotos: Peter Grohme, peter.grohme@ekkw.de 
und KDA Nordkirche