Die Texte aus dem Buch 7×7 Morgenbriefing für Führungskräfte ermöglichen das Nachdenken über ein gängiges, mal außergewöhnliches Wort. Sie durchkreuzen das tägliche Handeln und wirken als Anregung für Geist und Seele. Die Autorinnen und Autoren gehören weitestgehend zum Evangelischen Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie arbeiten in den entsprechenden landeskirchlichen Fachabteilungen im Bereich der Führungskräftearbeit und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt.

 

Privat

Als Jesus das Volk hatte gehen lassen,
stieg er auf einen Berg, um zu beten.
Und am Abend war er dort allein.
Matthäus 14,23

Erreichbarkeit und Transparenz – digitale Medien machen es möglich. Wichtige Entscheidungen müssen nicht warten – die Projektleiterin ist ja zu erreichen, im Homeoffice, abends, am Wochenende, im Urlaub am Strand. Neue Chancen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Win-win-Situation für beide Seiten, heißt es. Und: Transparenz ist gut. Es gibt ja nichts zu verbergen. Die Personalabteilung freut sich über Psychometrik mittels Big-Data: Sie verrät mehr über Menschen, als sie selbst über sich sagen könnten. Das Controlling ist begeistert über mehr Kontrolle: Datenhandschuhe zeigen nicht nur den effizientesten Weg zum gesuchten Regal, sondern auch wann die Hände ruhen, zum privaten Plausch oder zum Gebet …

Aber Achtung: Die Privatsphäre ist das Labor für individuelle Innovationen, die schützende Hülle für eine „Embryonische Gedankenentwicklung” (so der Theologe Friedrich Schleiermacher Anfang des 19. Jahrhunderts) – in kleinen, verabredeten Dosen auch bei der Arbeit. Embryonale Gedanken stehen in der Gefahr, abgelehnt oder zerredet zu werden – noch bevor sie das Licht der Welt erblicken und stark werden können. Sie brauchen wohlmeinende Unterstützung, Freiheit, Freiraum, in dem gilt, was man selbst bestimmt. Demokratie lebt aus dieser Freiheit. Ökonomie auch, sonst reichten künstlich-intelligente Roboter. Jesus pflegte seine Privatsphäre und wusste, warum. Er wies das Volk in Grenzen. Er stieg auf einen Berg, um frei zu sein von deren Erwartungen, um frei zu sein für Gott. Zur Re-Kreation. Neu geworden ging er wieder an seine Arbeit.

Autor: Ralph Charbonnier