NÜRNBERG. Immer mehr Menschen in Deutschland sind auch jenseits des Rentenalters erwerbstätig. Der kda Bayern interessiert sich für diesen Trend in der Arbeitswelt. Vielfach begleiten die Mitarbeitenden Ehrenamtliche über viele Jahre während ihrer Erwerbsarbeit oder im Seminar „Ruhestand im Blick“. Hanna Kaltenhäuser, sozialwissenschaftliche Referentin im kda Bayern, hat aus dem Umfeld von afa und Seminarteilnehmenden Menschen zu ihren persönlichen Erfahrungen mit der Erwerbsarbeit jenseits des Renteneintritts befragt. Daraus sind Portraits entstanden, die Sie in der Reihe „zurück aus der Rente “ immer Montags im Advent auf der Homepage das kda Bayern lesen können. https://kda-bayern.de/neue-serie-zurueck-aus-der-rente-jobbende-rentnerinnen-teilen-ihre-geschichte/ oder Donnerstags auf der KWA-Webseite und im KWA-Newsletter.

Trend: Arbeiten im Ruhestand

Über eine Million Menschen ab 67 Jahren sind in Deutschland erwerbstätig. Das ergab eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag im Sommer 2021. Davon sind rund 830.000 geringfügig Beschäftigte. Die häufigsten Tätigkeiten sind Büroarbeit, Putzkraft oder Fahrer*innen-Jobs. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt in seinem Kurzbericht (8/2022) zum Thema an, dass sich die Zahl der Menschen, die im Ruhestand einer Erwerbstätigkeit nachgehen, in den letzten 25 Jahren verdoppelt hat: von 5,1 Prozent 1996 auf 13,6 Prozent im Jahr 2017.

Verschiedene Gründe und Motive

Die Forscher suchen nach Ursachen für diese Entwicklung und haben verschiedene Gründe gefunden: Dazu gehören bessere Gesundheit oder Qualifikation der Betroffenen ebenso wie eine unzureichende Alterssicherung oder auch die steigende Nachfrage von Arbeitgeber*innen. Die Menschen wurden auch nach ihren Motiven für eine Erwerbstätigkeit jenseits des Rentenalters gefragt. Ganz vorne lagen „Spaß an der Arbeit“ (97%), „Eine Aufgabe haben“ (92%) und „Kontakt zu anderen Menschen“ (91%). Die finanzielle Situation spielte bei 43 Prozent der Befragten eine Rolle.

Vorteile für Betriebe

Schon 2020 hatte das IAB Betriebe gefragt, warum sie immer häufiger rentenberechtigte Mitarbeitende halten wollen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Fachkompetenz bleibt im Betrieb, wenn Angestellte mit langjähriger Berufserfahrung und betriebsspezifischem Know-How gehalten werden. Außerdem können die Älteren schrittweise Nachfolger*innen einarbeiten. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und in der öffentlichen Verwaltung, so der IAB -Kurzbericht (18/2020), gibt es Interesse am Halten von altgedienten Mitarbeitenden bzw. hat sich deren Anteil erhöht.

Ich möchte vielseitig bleiben, auch im Alter“, sagt Franziska* (66). Seit einem Jahr ist sie in Rente und ehrenamtlich viel unterwegs. Montags allerdings steht weiter Erwerbsarbeit auf dem Programm. Neun Stunden ist sie in ihrem alten Büro bei der Stadt tätig. „Schöne Woche noch“, sagen die Kolleg*innen, wenn sie geht. „Ich habe immer gedacht, dass ich das mache“, sagt Franziska. Nur zuhause – das ist für sie nicht denkbar. Wenn sie nicht Geschichten für den Gemeindebrief schreibt oder die Tagesordnung für den Kirchenvorstand zusammenstellt, ist sie in ihrem Schrebergarten zugange.

Erste Geschichte: Franziska ist… zurück aus der Rente

Ein Leben ohne Erwerbsarbeit hätte sie sich nicht vorstellen können. Ihre Berufsbiographie ist bunt und vielfältig. Gelernt hat Franziska Schriftsetzerin bei einer Zeitung. Nach Heirat und mit Kindern war sie nebenher im Verkauf tätig. Ab 1991 arbeitete sie als Politesse und später als Verwaltungsangestellte bei der Stadt. Ihre letzten zehn Berufsjahre ist sie freigestellte Personalrätin und Schwerbehinderten-Beauftragte. Unter dem Strich kommen so 45 Jahre Erwerbsarbeit zusammen. „Ich habe immer Chancen wahrgenommen. Mich hat einfach vieles interessiert“, so charakterisiert Franziska ihren Berufsweg.

„Ich kann ausschleichen“

Als Vorteil beim Arbeiten in Rente sieht sie, „dass es nicht so abrupt ist mit dem Aufhören. Ich kann ausschleichen.“ Außerdem bleibe sie bei der Technik auf dem Laufenden. Die Arbeit in der kleinen Abteilung kennt sie genau. „Ich gehe da rein und habe meine Strukturen und alles auf dem Schirm. Es fällt mir nicht schwer“, beschreibt Franziska. „Und wenn ich etwas nicht kann, dann frage ich halt. Ich muss ja nicht alles können. Mir hilft immer jemand weiter.“ So genießt sie die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen, die ihr auch in Krisen schon geholfen haben. „Die Kollegin, für die ich einspringe, ist auch froh. Dann hat sie den Montag frei“, freut sich Franziska. Über einen Tag hinaus möchte sie allerdings nicht noch allzu viele feste Verpflichtungen haben. Der eine Tag sozialversicherungspflichtige Arbeit reicht ihr. “Im Alter ist mir meine Freizeit auch wichtig“, meint sie. Für Franziska ist ihr Verdienst aus der Arbeit im Büro „ein Zubrot zur Rente“, wie sie es nennt. Für Luxus, den sie sich leisten möchte, wie etwa Urlaubsreisen. Sie zahlt zwar keine Miete, hat aber Fixkosten und legt „immer etwas für Reparaturen am Haus zurück“. Weil sie mehr als 1.200 Euro Rente bekommt, muss sie einen Teil versteuern. Darüber ärgert sie sich.

weiterlesen…

Titelbild Quelle: PixelsEffect/canva

Hanna Kaltenhäuser

Wissenschaftliche Referentin
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt
der Evang.-Luth. Kirche in Bayern

Gudrunstraße 33 | 90459 Nürnberg
Telefon 0911 43 100-223
E-Mail