S t a t e m e n t aus dem Online Forum „Gott würfelt nicht“ des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in der Badischen Landeskirche am 21.6.23. zum Thema „Was ist die richtige Arbeitszeit?“
„Gott würfelt doch“
Die Regelung der Arbeitszeit gehört zu den elementarsten Gegebenheiten für Arbeitnehmer::innen und auch Arbeitgeber:innen. Sie sind Grundlage für die Arbeit, für die Zufriedenheit mit der Arbeit und deren beidseitigen Ertrag. Sie entscheidet mit, wie gut Menschen ihr Leben gestalten können und wie erfolgreich Unternehmen sind. Arbeitszeitregelungen sind aber auch von höchstem Interesse für die Gesamtökonomie und -gesellschaft. Arbeitszeit ist ein Teil der gemeinsamen und individuellen Zeitpolitik. Hierbei ist auf der einen Seite der „Ertrag der Arbeit“ (im Verhältnis zur aufgebrachten Zeit) das Wesentliche und auf der anderen Seite das, was zur Arbeitszeit als „weitere Zeit“ (Freizeit, Leben) zur Seite steht. Beides ist starken Dynamiken und verschiedenen Interessen unterworfen. Was hier gilt, gelten soll und muss, ist je neu auszuhandeln.
Hauptfelder der Aushandlung sind: Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeitfestlegung (incl. Pausen/Urlaub), Arbeitszeiterfassung, Wochenarbeitszeit und Lebensarbeitszeit. Die Entwicklung zeigt – dem gesellschaftlichen Trend folgend – immer stärker flexibler und individueller gefasste Arbeitszeiten, was immer auch zu Fragen der Veränderung des Rahmens einer allgemein geltenden fixen Arbeitszeit (Stunde- Woche, Rentenalter) führt. Die Frage nach Verkürzung (Forderung nach 4-Tage-Woche) oder Verlängerung von Arbeitszeit gerät ins Zentrum der öffentlichen Diskussion.
Da Arbeitszeit zu den elementaren individuellen und gesellschaftlichen Grundlagen gehört, muss Kirche zu ihrer Begründung und Ausgestaltung Stellung nehmen. Dabei ist ihr eigenes Zeitverständnis leitend. Nach christlichem Verständnis geht es weniger um die Quantität als um die Qualität der Zeit. Zeit ist Geschenk Gottes, sie ist endlich und vergänglich, sie zielt auf Erfüllung (für sich und andere). Zusammengefasst wird dies im biblischen Motiv „Meine Zeit steht in Gottes Händen“ (Psalm 31). Dies ist auch auf die Arbeitszeit zu beziehen.
So ist aus kirchlicher Sicht bei der Arbeitszeitgestaltung das Primat der Qualität der Zeit im Blick zu behalten. Zeit und ihr Takt dürfen nicht zum Selbstzweck und Diktat werden und der Arbeits- und Gesundheitsschutz, der vor negativen Ausformungen eigener und gemeinsamer Arbeitszeit(aus)nutzung schützt, müssen steter prägender Begleiter der Arbeitszeit sein. Arbeitszeiten, die systematisch die Gesundheit schädigen, sind zu vermeiden. Die Arbeitszeit muss so gestaltet werden, dass sie (im Zusammenspiel von Freiheit und Begrenzung) zu einem möglichst erfüllenden Zeit- und Arbeits(er)leben führt. Dabei ist stets das „Gegenüber“ zur Arbeitszeit zu beachten. Erfüllung ist ein ganzheitliches Erleben; deswegen kann erfüllte Arbeitszeit nur gewonnen werden, wenn Freizeit und Leben und deren „Erfüllbarkeit“ im Blick sind. Kirchliches und gesellschaftliches Real-Symbol für all das ist der Sonntag und dessen unbedingter Schutz.
Die derzeit stark diskutierte Frage nach einer generellen Arbeitszeitverkürzung („4-Tage-Woche“) nimmt die von der Kirche zu vertretende Endlichkeit und Erfüllung der Zeit ernst. Wenn es nicht zu einer Komprimierung des in weniger Zeit zu Zutuenden auf der deine Seite kommt und auf der anderen Seite (wie zu erwarten) die ökonomische Produktivität nicht leidet, unterstützt die Kirche diese Arbeitszeitverkürzung, da sie die Chance auf ein Mehr als Zeitqualität in sich trägt. Zudem wäre sie ein Schritt zum generellen und nötigen Umdenken in der Zeitpolitik: Angesichts des drängenden Klimawandels muss es auch zu einer „Transformation“ des Umgangs mit Zeit kommen und Zeit und deren Nutzen muss darauf fokussiert werden, dass und wie sie zum Verhindern des Klimawandels etwas beiträgt. Hierbei muss die Kirche vorangehen; denn für sie ist alle Zeit Teil der erhaltenswerten Schöpfung Gottes.
Pfarrer Dr. Jochen Kunath, Leiter Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Baden und Studienleiter Wirtschaft und Arbeitswelt in der Evangelischen Akademie Baden
Das nächste Online-Forum „Gott würfelt nicht“ findet am 6. 09. 2023, 13-14 Uhr statt. Nähere Informationen: www.gottistarbeit.de
Pfr. Dr. Jochen Kunath
Leitung KDA und Studienleiter
für Arbeitswelt und Wirtschaft
an der Evangelischen Akademie in Baden
Blumenstr. 1-7 | 76133 Karlsruhe
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