Unser täglich Müll – Statement aus dem Online Forum „Gott würfelt nicht“

 „Gott würfelt doch“ 

S t a t e m e n t aus dem Online Forum „Gott würfelt nicht“ am 6. September 2023 

Wenn Brot und Wein beim Abendmahl gereicht wurden und übrigbleiben, würde man beides kaum als Müll bezeichnen. Obwohl sie ihren Zweck erfüllt haben. Müll ist ein schmutziges und vor allem auch verborgenes Thema. Obwohl alle damit zu tun haben. Wir als Einzelne und als Gesellschaft verursachen Müll tonnenweise und in vielzähligen Varianten und nicht immer ist uns klar, was mit dem Müll genau passiert. Hoffentlich wird er sortiert und wird einer verträglichen Weiterbearbeitung zugeführt. Die Abfall- und Entsorgungswirtschaft ist ein nicht unerheblicher Wirtschaftssektor. Allein in Deutschland gibt es fast 300.000 Beschäftige und der Umsatz der Branche beläuft sich auf fast 70 Mrd. Euro. Die 5. größte Entsorgungsfirma der Welt kommt aus Deutschland. Mit Müll kann man Geschäfte machen und Arbeitsplätze schaffen. Allerdings für „dreckige Arbeit“, die sonst kaum einer machen will. Den Müllmännern und -frauen kann man dankbar sein. Wenn es auch in Deutschland eine klar und gut geregelte Hierarchie der Abfallentsorgung gibt, auch wenn Abfallvermeidungsprogramm und Kreislaufwirtschaftsgesetz für die richtige Richtung sorgen, ist nicht alles gut mit unserem täglichen Müll. Es ist zu viel Müll, der „einfach“ bleibt und für die Umwelt ein manchmal „ewiges“ Problem bedeutet. Noch besser Mülltrennen, noch besser Anreize für den Geldbeutel, Müll zu vermeiden, noch höhere Quoten beim Recyceln, noch besser Kreislaufwirtschaft, und doch: Es bleibt viel Rest-Müll. Und es bleiben globale Probleme wie Mülltourismus, Fast Fashion und absichtlich schnell kaputtbare Geräte. Ganz zu schweigen von Plastikmüll und radioaktiven Abfällen. Es sind alle Initiativen, die anders mit Müll umgehen, zu begrüßen und zu fördern: Von Car-Sharing und Reparatur-Cafés über Food- Savers und Unverpacktläden bis hin zur Slow-Fashion oder „alte Sachen“ an die Straße stellen. Zum Glück gibt es diese Trends zu einem anderen Konsum- und Verbrauchsverhalten. Auch die Kirche will nachhaltiger, ökologischer und sozialverträglicher einkaufen. Im Grunde geht es um eine gemeinsame Produktverantwortung, die nicht endet, seitens der Produzierenden und auch seitens derer, die kaufen. Wir haben eine Verpflichtung den Dingen gegenüber, fast als hätten sie auch eine Seele. Fast. Mit den Elementen beim Abendmahl soll man (protestantisch) auch nach „Gebrauch“ sorgsam umgehen, sie nicht einfach entsorgen. Ihnen wohnt etwas vergehendes „Heiliges“ inne. Dem müssten wir in allen Dingen gerecht werden. Christlicher Glaube mutet uns zu, dass wir Dinge schaffen, produzieren, dass diese endlich sind, sprich: verbraucht werden und kaputt gehen (was manchmal auch weh tut), dass wir sie nutzen, gebrauchen dürfen für unser Leben, aber eben auch das: Sie sind auch ein bisschen heilig, verlieren nicht durch Gebrauch ihren vollständigen Wert, man muss sich vom Kauf bis zum Verschwinden um sie kümmern. Ein letztes: Kirche hat es mit Müll zu tun. Mit Müll im „übertragenen“ Sinne: Mit Seelenmüll, mit dem, was das Leben an schwer Abbaubaren im Menschen und in der Gesellschaft erzeugt. Kirche hilft insbesondere mit Seelsorge und Diakonie, mit allen Diensten auf den menschlichen Müllhalden der Gesellschaft. Aber: Kirche produziert auch Müll, richtigen, in dessen Entsorgung muss sie in vollständiger Sorge für alle Produkte, die sie in ihren Kreislauf nimmt, vorangehen. Und sie muss wissen, dass sie selbst Müll im übertragenen Sinne verursacht. Um den muss sie sich kümmern. Das wäre Bewahrung vor dem eigenen Abfall von Glauben. 

Ein Beitrag von:
Pfarrer Dr. Jochen Kunath, Leiter Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Baden und Studienleiter Wirtschaft und Arbeitswelt in der Evangelischen Akademie Baden 

Das nächste Online-Forum „Gott würfelt nicht“ findet am 16.11.23, 13-14 Uhr statt. Nähere Informationen: www.gottistarbeit.de 

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