Weihnachtspredigt von Pastor Frank Waterstraat

Predigt über Johannes 1, 1-5. 9-14 am 25.12.2024, dem Fest der Geburt des Herrn, in der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde, Hannover-Roderbruch 

Der Predigttext: 

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. (1. Mose 1.1) (Johannes 17.5) (1. Johannes 1.1-2) (Offenbarung 19.13) 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. (1. Korinther 8.6) (Kolosser 1.16-17) (Hebräer 1.2) 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. (Johannes 8.12) 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen. (Johannes 3.19) Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt kannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die an seinen Namen glauben; (Galater 3.26) 13 welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. (Johannes 3.5-6) 14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. 

Schwestern und Brüder! 

Was für ein Text! 

Wahrscheinlich fragen Sie sich nach dem Hören, worum es geht und was die Botschaft für uns heute morgen hier in unserer Dietrich-Bonhoeffer-Kirche sein kann. Ich finde diese Reaktion vollkommen nachvollziehbar und erinnere mich an meine Studienzeit, als wir in der neutestamentlichen Vorlesung das Johannes-Evangelium durchgingen. Unser Professor erklärte uns zu Beginn, dass ein berühmter Kollege das ganze Semester über am ersten Vers hängen geblieben war: Am Anfang war das Wort. So ganz unverständlich ist das nicht: Wenn Sie im Griechisch-Lexikon das Wort, das hier steht, nachschlagen, bekommen Sie genug Informationen und Hinweise für eine eigene Vorlesung nur darüber. Dieser Text, der Prolog des Johannes-Evangeliums, ist vielleicht einer der komprimiertesten Texte der ganzen Bibel. Er verdichtet christliche Theologie in 18 Versen und richtet sich an eine Gemeinde, die in ihrer Umwelt fest verwurzelt war. In Kleinasien, wo dieses Evangelium entstanden ist, spielte Griechisch die gleiche Rolle wie Englisch heute. Griechisch war die Weltsprache der damaligen orientalischen gebildeten Welt. Es gibt eine griechische Übersetzung des Alten Testaments, die sog. Septuaginta, und das Neue Testament ist im Original auf Griechisch verfasst. Die Evangelien wurden in einem Kulturraum und in einer Zeit geschrieben, die von der griechischen Kultur geprägt war, dem Hellenismus. Alexander der Große hatte sozusagen Griechenland in die damalige bekannte Welt und weit darüber hinaus getragen. Die Grundlage davon war die Entwicklung der griechischen Hochkultur. Philosophen wie Platon und Aristoteles prägen bis heute philosophische Diskurse und haben Begriffe geschaffen, die nicht überholt sind. Diesen kulturellen Rahmen sollten wir vor Augen haben, wenn wir den hoch komplexen biblischen Text für uns fruchtbar machen wollen. Lassen Sie uns auf den Text zugehen, ich treffe eine Auswahl: 

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 

Vielleicht hilft es, wenn wir uns an Beispielen verdeutlichen, welche unbändige Kraft Wörter haben können. Sie können vernichten, aber auch heilen, sie können verstören, aber auch Sicherheit geben, sie können regelrecht töten, aber auch lebendig machen: Du taugst nichts, kannst nichts gegen das hast du gut gemacht, bravo; mit dir kann ich nichts anfangen gegen du bist eine große Hilfe, ich brauche dich; ich hasse dich gegen ich liebe dich. Was für ein Wort: ich liebe dich! Hat es nicht auch unendliche schöpferische Kraft in sich, Dinge freizusetzen, die vorher nicht da waren? Und dann erst DAS Wort, das bei Gott war, das Gott selbst war. Alles hat es geschaffen. Es ist der Ausgang von allem, astronomisch gedacht, noch vor dem Urknall. Ohne ihn hätte es auch den Urknall nicht gegeben, würde Johannes sagen. Wort kann hier auch heißen: Gedanke, Idee, göttlicher Gedanke, göttlicher Plan. Das griechische Original Logos hat ein geradezu ungeheures Bedeutungsspektrum. So ein, DAS Wort ist der Beginn von allem. Denn es war bei Gott, ja, es war Gott selbst. Damit hat es eine unbegrenzte, nicht erfassbare Kraft, eine alles Begreifen sprengende Kraft. Gott ist nichts Materielles, nichts, was anfassbar, zählbar, messbar wäre. Oder zu berechnen, zu bestimmen, zu begrenzen, zu definieren mit unseren Möglichkeiten. Aus ihm ist ALLES entstanden, wirklich ALLES. Ohne dieses Wort wäre nichts. Der griechische Mensch hat hier gelesen oder gehört: Es ist nichts ohne Gott. Selbst dieser gewaltige Gedanke des Logos, der alles menschliche Denken, wirklich alles umfasst, ist nicht über Gott. Er ist auf das engste mit Gott verbunden. Er geht von ihm aus. Denken, Glauben, Wissen, Forschen und Erkennen sind keine Gegensätze. Sie fügen sich zusammen in Gott. 

Gehen wir einen Schritt weiter: 

In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. 

Gottes Wort macht lebendig und erleuchtet Welt und Menschen. Es ist das Licht der Erkenntnis, und das umfassend: die Erkenntnis der Situation, in der der Mensch lebt. Finsternis steht nicht für physikalische Dunkel, sondern für das Dunkel verfehlten Lebens, für den Unglauben. Diese verschlüsselten Verse beschreiben, wie Gottes Wort in der Welt scheitert. Auf einmal ist von personalen Begriffen die Rede. Er war in der Welt. Er? Das ist die ewige Leistung von Johannes, Gottes Wort zu identifizieren in Jesus Christus. Jesus Christus ist das Licht der Menschen und der Welt, er kam in ihre Finsternisse, in ihre Welt, durch ihn geschaffen, also sein Eigentum. Aber die Welt erkannte ihn nicht. Denken Sie an die Geschichten aus dem Neuen Testament, die erzählen, wie Jesus nicht zu den Menschen durchdringt, bis hin zum Tod am Kreuz. Die anderen wurden durch Ihn zu Kindern Gottes, nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes geboren, sondern von Gott, also aus Geist. Gott ist Geist. Von allem Anfang an war Jesus Christus, er war bei Gott, er ist der Schöpfer, Gottes schaffendes Wort, nicht erkannt von vielen, verkannt, aber Gottes Wort. Der griechische Mensch hörte und las, dass diese Welt aus Gott kommt, dass Jesus Christus dafür der lebendige Zeuge ist. Gott ist Geist, über alle Vorstellungskraft, und die Welt ist aus seinen Händen und in seinen Händen, durch sein lebendiges Wort, Jesus Christus. 

Und Johannes fährt fort: 

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. 

Sehr verkürzt gesagt: Das ist Weihnachten. Genau das. Das Kind in der Krippe, im Stall. Geboren auf der Flucht, hoch gefährdet, Kind von Menschen mit wenigen materiellen Möglichkeiten. Zuerst gesehen von Hirten, dann von Königen. Jesus Christus kommt mitten hinein in unsere Welt, die ist, wie sie ist, mit allem Bösen und mit allem Guten und Schönen. Die Welt, wie sie ist. Das Wort, das Geistige, wird Fleisch. Deutlicher kann man es nicht sagen, dass Jesus unser Bruder geworden ist, Gott und Mensch, aus Fleisch und Blut. Manche Ausleger haben sich an dieser Formulierung gestört: Es könne und dürfe doch nicht sein, dass Gottes Wort, sein Sohn, unser Erlöser tatsächlich aus Fleisch und Blut zu uns kommt und einer von uns wird. Doch: kai ho logos sarx egeneto. Das Lukas-Evangelium in seiner Weihnachtsgeschichte sagt: Maria wickelte ihn, Jesus, in Windeln. So, wie man es mit einem eben geborenen Menschen eben macht. Also Mensch, wie wir, und gleichzeitig Gottes Sohn. Das ist das Wunder der Weihnacht, das ist die Herausforderung des Glaubens zu allen Zeiten: Aus Jesus nicht einen bloßen Menschen zu machen, ein höchst nachahmenswertes ethisches Vorbild, ein Sozialrevolutionär, gestorben für seine Ideale, ein Held – und andererseits aus Jesus nicht einen fernen Gott zu machen, der seinen fleischlichen Körper nur zum Schein hatte, eigentlich gar nicht Mensch war. Gott wurde Mensch, um uns mit Gott zu versöhnen. Und das kann er nur, wen er beides ist, unser Bruder, in allem uns gleich außer der Sünde, UND Gottes ewiges, schaffendes Wort, eins mit ihm, von Ewigkeit her. Der griechische Mensch hört und liest, dass Gott und Menschen zusammenfinden in diesem Jesus Christus. Gott und sein Heil werden regelrecht anschaulich in Jesus Christus. 

Und wir? 

Wir dürfen glauben, seit Weihnachten in dieser Welt nicht mehr alleine zu sein. Das ist angesichts der Leiden in der Welt nicht einfach. Aber: Der große, ewige Gott kommt zu uns als Kind in der Krippe. Wir gehören zu ihm. 

Die Weihnachtspredigt 2024 als PDF zum herunterladen. 

Kontakt: Pastor Frank Waterstraat, Landeskirche Hannovers,frank.waterstraat@evlka.de