In sieben Wochen ist die Bundestagswahl. Eine knappe Zeit, sich zu entscheiden, wen oder was man wählt. Für Christinnen und Christen steht das Jahr unter einer biblischen Losung, die wie geschaffen ist für Wahlen: „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,1). Aber: Was ist das Gute? Um das Gute zu finden, muss man das Schlechte ausschließen. Als Hauptverantwortlicher des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt für unsere Landeskirche versuche ich den Blick auf das Wirtschaftsprogramm der AfD, das sie zur Wahl stellt. Warum der Blick nur auf die AfD? Weil sie für mich eine Alternative aufzeigt, die nicht ins gemeinsame Gute führt, die wir aber alle in uns tragen. Insofern ist es eine Selbstprüfung.
Deren erster Teil: Was soll ganz allgemein unsere Wirtschaft sein?
Bei aller Komplexität dient die Wirtschaft den Menschen, allen. An sich soll sie gewährleisten, dass alle gut leben können sollen. Sollen! Die Realität sieht anders aus. Viele können nicht gut im Rahmen der Wirtschaft leben, viele leben besonders gut, es gibt Hauptverursacher und Leitragende, starke Interessengruppen und viel Lobbyarbeit – und wir merken alle, es ist alles andere als leicht, die Wirtschaft selbst zu steuern. Und mich beschleicht oft das Gefühl, nicht alles kann Wirtschaft sein, auch, wenn wir davon leben, Wirtschaft darf nicht alleiniges Ziel sein.
Die AfD- so lese ich ihre Wahl- und Grundsatzprogramme – setzt alles auf den „Markt“. Die Wirtschaft wird alles richten – und sie ist möglichst frei von allen (staatlichen) Einflüssen zu halten. Auf dem fast absolut freien Markt gewinnt der und die, der und die sich durchsetzen kann. Für die AfD ist die Wirtschaft die Summe von einzelnen Bürger-Souveränen. Für mich und vergröbert gesagt: In der AfD-Wirtschaft gilt, der Stärkste gewinnt. Und dabei lässt die AfD nur bestimmte „Stärkste“ zu. Es ist ein exklusives Kräftespiel ohne Regulation.
Wir sind alle groß geworden mit der Vorstellung von diesem freien Markt mit souveränen Menschen. Haben daraufgesetzt, dass das sich alles selbst reguliert, haben eingegriffen und schwerste Schäden verhindern wollen, aber das Leitbild war der freie Markt. Und ich merke, dass ich ihn auch herrlich finde, jenes vom „Tellerwäscher zum Millionär“, dass ich auch meine Freiheit schätze, dass ich auch gerne mir mehr leisten will, dass ich auch in der Gefahr stehe, auf die einen hinunterzuschauen und auf die anderem hoch. Ich bekenne, ich spiele – mich schuldig machend – das ernste Spiel des freien und exklusiven Marktes mit.
Das ist aber nicht das Gute. Zumindest nicht das gemeinsam Gute. Auch wenn wir das nicht einfach finden und definieren können, will ich mich diesem verpflichten, will denken: Nur wenn es möglichst vielen Menschen wirklich gut geht, dann hat mein Wohlergehen, ja mein Wohlstand seinen Wert, sein Recht und seine Würde. Wirtschaft ist inklusive, muss es sein. Sie muss – auch wenn es komplex ist und nie ohne Eingriffe geht – allen dienen, sie muss dazu da sein, dass das „gemeinsame Leben“ zugleich erwirtschaftet und geteilt wird, damit alle davon etwas haben. Der Markt richtet das nie von allein. Wie denn? Er ist kein selbständiger Akteur, sondern die Summe der beteiligten Menschen, mehr als die Summe.
Der biblische Wochenspruch für diese erste der letzten sieben Wochen vor der Bundestagswahl bringt dieses andere Prinzip, im Grund eine Alternative für Deutschland und jedes Land als Chance auf den Punkt. „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh. 1, 14) Die Herrlichkeit des Lebens wird uns zu teil, das Prinzip des Lebens ist kein freier Markt der Stärkeren, sondern ein gemeinsamer Blick auf das, was uns allen geschenkt ist und von uns hervorgebracht wird, von jedem und jeder an seiner Stelle, und das wechselhaft im Leben und: mal der eine bedürftiger und schwächer, mal die andere stärker und gebender. Es geht darum, so etwas wie Wahrheit und Gnade auf dem Wirtschaftsmarkt stärker kursieren zu lassen. Das würde das Gute, das gute Leben, beachten und hervorbringen – und es würde schaffen, das auf die abgehängten unten uns, daran teilhaben können. Wie das konkret aussehen könnte, mag der Blick in der nächsten Woche zeigen.
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Vor der Bundestagswahl veröffentlichen wir wöchentlich eine Meinungsäußerung zu bestimmten Themen der Wirtschaftspolitik der AfD. Diese Beiträge stammen von
Pfarrer Dr. Jochen Kunath
Leiter Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Baden
Studienleiter Wirtschaft und Arbeitswelt in der Evangelischen Akademie Baden
jochen.kunath@ekiba.de
und werden jeweils dienstags veröffentlicht.