Bürgergeld-Bingo ist ein Spiel mit ernstem Hintergrund.
Wer es spielt und wirklich alle Ausgaben des täglichen Lebens berücksichtigt, merkt schnell, wie knapp das Monatsbudget von derzeit 502 Euro bemessen ist. Wie ernährt man sich ausgewogen von 6 Euro am Tag? Wie begleicht man die Stromrechnung, wenn dafür nur 42 Euro im Monat zur Verfügung stehen und die Preise explodieren? Wie bleibt man mobil, wenn das Bürgergeld nicht für das Deutschlandticket reicht, geschweige denn für den Unterhalt eines Autos?
In der Debatte um die richtige Höhe des Bürgergeldes, geht es um eine der verantwortungsvollsten Aufgaben des Staates. Die Grundsicherung soll allen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen. Sie muss die physische Existenz, aber auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe garantieren.
Deshalb sind die Anforderungen an die Berechnung des Bürgergeldes hoch. Das Bundesverfassungsgericht fordert, dass das Existenzminimum transparent, sachgerecht und realitätsgerecht ermittelt wird. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Höhe des Bürgergeldes wurde in Teilen willkürlich, fehlerhaft und lebensfern berechnet:
Das Bürgergeld wird aus den statistisch erfassten Konsumausgaben der Bevölkerung im unteren Einkommensbereich abgeleitet („Statistikmodell“). Dabei wird jedoch nicht sichergestellt, dass die Vergleichsgruppe nicht selbst schon von Armut betroffen ist. Es entstehen statistische Zirkelschlüsse. Für Erwachsene werden die einkommensschwächsten 15 Prozent, für Kinder die einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte zum Vergleich genommen. Diese Festlegung ist willkürlich.
Entgegen den Prinzipien des Statistikmodells streicht der Gesetzgeber bestimmte Konsumausgaben aus der Rechnung. So wird Bürgergeldbeziehenden zum Beispiel kein Geld für Haustiere, Weihnachtsbäume, Regenschirme, Malstifte oder Speiseeis zugestanden. Das ist beliebig und statistisch unsauber. Das Verfahren führt zu einer empfindlichen Kürzung des Bürgergeldes um etwa ein Viertel.
Hohe Einmalausgaben, die etwa entstehen, wenn eine kaputte Waschmaschine oder ein Computer ersetzt werden muss, können aus dem Bürgergeld kaum bestritten werden. Dafür sind nur minimale monatliche Euro-Beträge vorgesehen, die über Jahre hinweg angespart werden sollen. Das ist ein lebensferner Ansatz, der in keinem armen Haushalt funktioniert.
Obwohl die Lücken des Bürgergeldes (früher „Hartz 4“) durch zahlreiche Gutachten nachgewiesen sind, wird in der aktuellen Debatte behauptet, das Bürgergeld sei noch zu hoch. Manche Medien nehmen die für 2024 angekündigte Erhöhung auf dann 563 Euro zum Anlass, Stimmung gegen Erwerbslose und Geringverdienende zu machen, die auf das Bürgergeld existenziell angewiesen sind. Dabei ist klar: Die Erhöhung des Bürgergeldes um 61 Euro wird bestenfalls die Preissteigerungen ausgleichen, aber nicht die Bedarfslücken schließen.
Wir sagen, das Bürgergeld reicht nicht und muss von Grund auf neu berechnet werden! Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, das Existenzminimum transparent, sachgerecht und realitätsnah zu ermitteln. Dies darf nicht hinter verschlossenen Türen geschehen, sondern muss Organisationen und Fachleute aus der Zivilgesellschaft einbeziehen. Insbesondere fordern wir dazu auf, auch Menschen mit Armutserfahrung als Expertinnen und Experten zu beteiligen, damit das Bürgergeld nicht weiter an der Lebensrealität der darauf angewiesenen Menschen vorbeigeht!
Bürgergeld-Bingo: Empathie statt Populismus
Wir brauchen mehr Empathie statt Populismus. Bürgergeld-Bingo ist eine Antwort auf die derzeitige Debatte, in der einmal mehr Zerrbilder von sozialen Hängematten bemüht und Geringverdienende gegen Erwerbslose aufgewiegelt werden. Dabei ist das Argument, die Grundsicherung müsse sinken, um den Lohnabstand zu gewährleisten, falsch und hilft – im Gegensatz zu höheren Mindestlöhnen – auch den Erwerbstätigen nicht. Die Grundsicherung hat die Aufgabe, jedem Menschen in unserem Land soziale Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben zu garantieren. Von diesem Anspruch darf die Politik keine Abstriche machen.
Möchten Sie selbst erfahren, wie herausfordernd es sein kann, mit einem Bürgergeld von nur 563 Euro im Monat zu leben und alle wichtigen Ausgaben abzudecken?
Dann laden wir Sie ein, unser Bürgergeld-Bingo zu spielen. Hier können Sie selbst in die Schuhe einer Person schlüpfen, die von dieser Sozialleistung abhängig ist, und die täglichen Herausforderungen und Einschränkungen erleben. Klicken Sie hier, um das Spiel zu starten und mehr über dieses wichtige Thema zu erfahren.
Zusätzliche Informationen zu diesem bedeutsamen Thema:
Stellungnahme Regelbedarfsermittlungsgesetz, Diakonie 2020
Regelbedarfsbemessung – Eine Alternative zum Gesetzlichen Verfahren. Gutachten Diakonie 2021
Belastungen Einkommensschwacher Haushalte durch die Inflation, Expertise Diakonie und DIWEcon, 2022
Jobcenter der Zukunft, KWA-Report 2021
Initator:innen aus:
Diakonie Deutschland
Evangelischer Verband Kirche Wirtschaft Arbeitswelt (KWA)
Armutsnetzwerk e.V.
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (kda)