Darf Protest weh tun?
Die Schlagzeilen häufen sich gleich Anfang des Jahres: Landwirte und Landwirtinnen protestieren bundesweit gegen die schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Beihilfe. Die Lokführergewerkschaft GDL ruft zu einem mehrtägigen Streik auf. Vertreter weiterer Branchen schließen sich den Protesten an.
Wir haben das große Gut der freien Meinungsäußerung in unserem Land.
Wir haben die rechtlich verankerte Möglichkeit zu (ordnungsgemäß angemeldeten) Demonstrationen, für viele sogar des Streiks. Das sind Errungenschaften der Demokratie, die zu einem konstruktiven Ausdruck der eigenen Anliegen und zum gesellschaftlichen Dialog beitragen können.
Jede protestierende Personengruppe hat ihre Gründe. In vielen Fällen sind diese nachvollziehbar, und manches Mal steht die Mehrheit der Gesellschaft inhaltlich auf der Seite der Protestierenden.
Bei allen Protesten möchte man natürlich einerseits für alle sichtbar auf das eigene Anliegen aufmerksam machen. Nur dann macht es Sinn. Zugleich stellt sich die Frage: Wie weit kann ich gehen, ohne anderen Menschen weh zu tun – mit all den Facetten, die dies haben kann: von schlecht gewählten Worten bis hin zur (wenn auch punktuellen) Beschränkung der Freiheit des anderen? Hier gilt es sehr gut abzuwägen.
Das Doppelgebot der Liebe, das Jesus Christus uns gelehrt hat, ist auch bei solchen Abwägungen ein guter Ratgeber – für beide Seiten in einem Konflikt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft. Das andere ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Markusevangelium 12, 30f).
Diese Worte auch beim Protestieren im Kopf zu haben sorgt dafür, dass Protest friedlich abläuft. Dann wird am Ende vermutlich von noch mehr Menschen wirklich gehört, worum es geht. Es ist gut, wenn auch die Protestierenden selbst allem, was einem anderen schaden kann, entschieden entgegentreten. Diese Worte geben auch eine gute Orientierung für wichtige Entscheidungen, bei denen andere betroffen sind. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, das kann auch denen, die keine Christen sind, einleuchten und Maßstab sein.
Was für die großen Proteste gilt, gilt auch für das tägliche Umfeld an der Arbeitsstelle, im Betrieb, zu Hause: Man ist nicht immer einer Meinung. Aber auch wenn an unserer Arbeitsstelle oder in unserem persönlichen Kontext verschiedene Interessen aufeinanderprallen, ist es unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass verletzende Worte und Handlungen keinen Platz in unserer Diskussionskultur haben. Nur friedlich und gemeinsam können wir Lösungen in den Herausforderungen finden, vor denen wir stehen.
Ein Beitrag von: Pastorin Cornelia Möller, Referentin für Land- und Ernährungswirtschaft, Mail: cornelia.moeller@evlka.de
Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers