Meine Meinung zur Wirtschaftspolitik der AfD: Auf der Suche nach dem Guten – Woche 2

In sieben Wochen ist die Bundestagswahl. Eine knappe Zeit, sich zu entscheiden, wen oder was man wählt. Für Christinnen und Christen steht das Jahr unter einer biblischen Losung, die wie geschaffen ist für Wahlen: „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,1). Aber: Was ist das Gute? Um das Gute zu finden, muss man das Schlechte ausschließen. Als Hauptverantwortlicher des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt für unsere Landeskirche versuche ich den Blick auf das Wirtschaftsprogramm der AfD, das sie zur Wahl stellt. Warum der Blick nur auf die AfD? Weil sie für mich eine Alternative aufzeigt, die nicht ins gemeinsame Gute führt, die wir aber alle in uns tragen. Insofern ist es eine Selbstprüfung. 

Deren zweiter Teil: Wie sieht es mit unseren wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Ländern aus?

Da wir nicht alleine auf dem Globus leben, hängt unsere Wirtschaft zusammen mit der jeweiligen Wirtschaft von anderen Ländern. Je globaler dieser Zusammenhang ist, desto komplexer die internationale Wirtschaftspolitik. Die Frage ist nur, wie gestalten wir diese Wirtschaftspolitik mit anderen, wie blicken wir auf andere wirtschaftliche Systeme, Interesse, Kulturen und Menschen und wie wägen wir ab zwischen Eigenem und Anderem.

Für die AfD – so lese ich es in Ihrem Grundsatz– und Wahlprogramm – ist die Sicht auf andere Länder und deren Wirtschaft eine Einbahnstraßen-Sicht. Es geht letztlich nicht um Wirtschaftsbeziehung, sondern um nebeneinander existierende souveräne Volkswirtschaften, so wie die deutsche eine ist, und um den freien Markt dieser untereinander. Deutsche internationale Wirtschaftspolitik ist für die AfD das Durchsetzen deutscher Interessen und Kultur. Beziehungen sind dort gut, wo sie eigenen nutzen. Ein Blick auf Alle will die AfD nicht. Die Gemeinschaft der Staaten ist ein eher loser Bund von nationalen Einzelstaaten. Deswegen ist jede „suprastaatlicher Politik“ zu verhindern. Die einzelnen Staaten sind freizuhalten von Einfluss von „Oben“ und eigentlich auch von einem gegenseitigen. Die Verantwortung der AfD endet an der deutschen Haustür. Wirtschaftliche Solidarität oder gar Vergemeinschaftung von Ländern ist nicht gewollt, der Austritt aus dem EURO-Raum und der EU als Wirtschaftsgemeinschaft ist Ziel, an der (wirtschaftlichen) Entwicklung anderer Länder mitzuarbeiten ist kein Thema. 

Das Austarieren von eigenen Interessen und den Interessen anderer, ist schwer. Besonders, wenn es um Geld geht und um fremde Länder. Die Vielzahl und auch Andersartigkeit der Kulturen sind eine Herausforderung. Auch mir fällt es schwer, die Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge zu verstehen. Wie wir wirtschaftlich zugleich zum Beispiel mit China, Südafrika, Saudi-Arabien und den USA zusammenhängen. Was dort Bewirktes bei uns auslöst und was wir mit den Kaffeebauern in Brasilien zu tun haben. Ich weiß, dass es rund um den Globus Verlierer gibt und die Armen immer ärmer werden. Aber Neid nagt manchmal auch an mir und ich kenne die Gefahr im Kopf und Handeln, sich auf seinen Geldbeutel, gerade wenn er leerer wird, zu beschränken und auf die deutsche Wirtschaft. 

Nur: Ist das „gut“? Wir leben in Deutschland nicht auf einer einsamen Wirtschaftsinsel. Die anderen auch nicht. Wir sind verbunden. Wir haben Wirtschaftsbeziehungen. Wie im Kleinsten geht es darum, diese Beziehungen gut zu gestalten. Keiner lebt sich selbst. Auch kein Volk und kein Staat. Es geht um Gemeinschaft und Kooperation, darum, dass wir alle „Fremde“ sind – je nach Ort und Sicht. Da wir alle einzigartig sind, sind wir alle immer „multikulti“. Ein freier und fairer Markt von miteinander und füreinander agierenden Staaten das wäre Ziel internationaler Wirtschaftspolitik: Geben und nehmen, bereichert werden und anderen aufhelfen, aufeinander achten und sich aneinander entwickeln. 

Der biblische Wochenspruch für die sechste Woche vor der Bundestagswahl macht uns zur weitweiten Familie aus ganz verschiedenen Menschen und Völkern: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ (Römer 8,14) Es geht um einen gemeinsamen Geist, der uns beseelt und antreibt. Für Christinnen und Christen ist das der eine Geist Gottes. Gut wäre, die Suche nach einem gemeinsamen Geist! Denn nur dann haben wir alle eine Chance. Das ist eine urmenschliche Erfahrung. Und wenn wir einen gemeinsamen, und klar: guten, Geist haben, dann sind wir Kinder dieses Geistes und damit eine Familie. Und die bewirtschaftet zusammen ihren Haushalt: auf jeden Einzelnen gemeinsam blickend und auf alle zusammen schauend. 

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Vor der Bundestagswahl veröffentlichen wir wöchentlich eine Meinungsäußerung zu bestimmten Themen der Wirtschaftspolitik der AfD. Diese Beiträge stammen von

Pfarrer Dr. Jochen Kunath
Leiter Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Baden
Studienleiter Wirtschaft und Arbeitswelt in der Evangelischen Akademie Baden
jochen.kunath@ekiba.de

und werden jeweils dienstags veröffentlicht.