Meine Meinung zur Wirtschaftspolitik der AfD: Auf der Suche nach dem Guten – Woche 4

 In vier Wochen ist die Bundestagswahl. Eine knappe Zeit, sich zu entscheiden, wen oder was man wählt. Für Christinnen und Christen steht das Jahr unter einer biblischen Losung, die wie geschaffen ist für Wahlen: „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,1). Aber: Was ist das Gute? Um das Gute zu finden, muss man das Schlechte ausschließen. Als Hauptverantwortlicher des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt für unsere Landeskirche versuche ich den Blick auf das Wirtschaftsprogramm der AfD, das sie zur Wahl stellt. Warum der Blick nur auf die AfD? Weil sie für mich eine Alternative aufzeigt, die nicht ins gemeinsame Gute führt, die wir aber alle in uns tragen. Frage dieser vierten Woche: 

Wem gehört unser Geld? Zur Steuer- und Währungspolitik.

Steuer- und Währungspolitik sind klassische Felder staatlicher Steuerungsmöglichkeiten, beide haben das vorrangige Ziel, Stabilität und auch Gerechtigkeit zu gewährleisten: Zum einen im Blick auf den finanziellen Beitrag der Bürgerinnen und Bürgerinnen, so dass der Staat seinen öffentlichen Aufgaben nachkommen kann. Zum anderen, dass über Geldpolitik und Währungsregime intern und extern Geld seinen Wert und seine Kaufkraft behalten kann. Beide Steuerungsinstrumente haben neben fiskalische und wirtschaftspolitische auch starke gesellschaftspolitische Auswirkungen: An sich wird durch gute Steuer- und Währungspolitik garantiert, dass der Fluss des Geldes fließt, Leben generiert und möglichst allen zu fließt.

Die AfD betrachtet die Ziele und Instrumente sowohl der Steuer- als auch der Währungspolitik sehr enggeführt: Der Staat habe kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabeproblem; deswegen können man Steuern eher senken. Der Maßstab für das Senken ist die Leistungsfähigkeit des Einzelnen. Wer was leistet, wird nicht belastet. Ähnlich bei der Währungspolitik: Jeder Staat ist der Souverän und hat seine stabile Währung, Währungsgemeinschaft sind abzulehnen, Geldgeschenke an andere Staaten absurd. Fremdes (z.B. in der Kulturpolitik) wird nicht gefördert. Nur Eigenes verdient Geld und darf es behalten. Statt eines offenen Währungs- und Wirtschaftssystems denkt die AfD geschlossen und ausschließlich. Regulierenden, hilfreichen Eingriffen Dritter, v.a. des eigenen Staates oder gar anderer Länder, wird gewehrt. Das Bargeld wird als neutraler Wertspeicher angesehen, Substanzsteuern abgelehnt. Kein echter Gedanke an: Fluss des Geldes, an Ausgleich, an Gemeinschaft, an Kommunikation. Nur Abschottung. Nur: Alles aus eigener (deutscher) Kraft.

Der fast unsichtbare Fluss des Geldes, dass die Geldläufe immer weiter und schneller werden, dass ich selbst gar nichts mehr wissen kann, was ist mein Geld noch wert, das macht unsicher. Dass bei so viel Geld im System es doch nicht für alle reichen kann, dass am Ende des Montas vom Geld noch was weggenommen wird, dass es nicht fair zugeht, das macht Angst und manchmal wütend. Und ja, es gibt in Sachen Geld Missbrauch, Schräges und Undurchsichtiges. Und vieles Komplexes, wie das Steuersystem oder die Politik der EZB, überfordern.

Geld wurde „erfunden“, um sich auszutauschen, Waren gegen Waren, Getanes gegen Getanes, Steuern wurden „erfunden“, damit es zum Austausch kommt und eine Gemeinschaft gemeinsam sich versorgen kann. Beides sind elementare Kommunikationsmittel: Wir erhalten unsere offene Gemeinschaft dadurch. Wenn alle (ob einzelne Staaten oder einzelne Bürger) jeweils nur aus eigener Kraft existieren und agieren, dann fließt da nichts mehr, dann ist da kein Austausch mehr, dann ist das keine Lebendigkeit mehr. Dann sind wir tot.

Das biblische Wort für diese Woche, in der bei uns die Wahlbenachrichtigungen im Briefkasten liegen, macht es drastisch deutlich und ist das Gegenbild gegen eine letztlich ausschließende Währungs- und Steuerpolitik der AfD. Da wird eine Vision uns vor Augen gemalt: Eine Gesellschaft, die gemeinsam an einem Tisch sitzt. Ich weiß, dieser gemeinsame Tisch ist uns fast abhanden gekommen, real und im übertragenen Sinne. Aber was hindert uns, an ihm festzuhalten, an der Vision und der Arbeit für ihn; denn eines dürfte klar sein: Ein gemeinsamer Tisch ist voller als einer, vor dem wir alleine sitzen. Vorausgesetzt: Wir teilen und alle bekommen. Mich beseelt die Vision des Wochenspruchs mehr als andere Sichten auf uns:

„Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13,29) 

Vor der Bundestagswahl veröffentlichen wir wöchentlich eine Meinungsäußerung zu bestimmten Themen der Wirtschaftspolitik der AfD. Diese Beiträge stammen von

Pfarrer Dr. Jochen Kunath
Leiter Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Baden
Studienleiter Wirtschaft und Arbeitswelt in der Evangelischen Akademie Baden
jochen.kunath@ekiba.de

und werden jeweils dienstags veröffentlicht.