Keine angenehme Aufgabe, wirklich nicht
Ich räume meinen Schreibtisch auf. Eine kleine Karte fällt mir in die Hände. Eine TÜV-Plakette ist dort abgebildet mit einem Satz: Prüft alles und behaltet das Gute. Die Jahreslosung aus dem 1.Thessalonischerbrief. Im Januar habe ich sie bekommen und beiseitegelegt. „Wer weiß, wofür ich sie nochmal gebrauchen kann?“ habe ich dabei gedacht. Während ich die Karte zwischen meinen Finger hin und her drehe, merke ich: so sammle ich ganz schön viel – Papiere, Bilder, Dinge, Gedanken und Geschichten, aber auch Verhaltensweisen und Ideen. Wer weiß, ob ich sie nochmal gebrauchen kann.
Eigentlich eine gute Frage, so ressourcenorientiert und auch weitsichtig. Aber gleichzeitig merke ich: das wird ganz schön eng um mich. Und auch in mir. Mein Kopf ist voll von all dem, was ich behalten will, was ich vielleicht nochmal machen könnte, einsetzen möchte, erreichen will.
Prüft alles und behaltet das Gute. Ich schaue auf die kleine Karte. Vielleicht sollte ich für mich auch einen regelmäßigen TÜV einführen. Eine Zeit, um mir genau anzuschauen, was ich wirklich brauche und wohin ich wirklich will. Keine angenehme Aufgabe, wirklich nicht. Prüft alles! Das Gewohnte und Vertraute, auch das, was ganz tief hinten liegt – das braucht ja auch Platz und Energie. Brauche ich das alles wirklich? Mache ich das, was ich tue, wirklich immer noch gerne? Oder brauche ich Platz für neues, anderes?
Prüft alles!
Gewohntes gibt Halt. Und dennoch spüre ich da einen Funken Lust und ein bisschen Neugier: was werde ich wohl als Gutes erkennen und wieviel werde ich behalten, was werde ich weitermachen wie bisher? Und von was werde ich mich trennen, wo spüre ich die Lust für einen Neuanfang? Wenn ich das Gute behalte, dann bedeutet das ja auch, dass ich das andere wegtue, weitergebe, entsorge, beende.
Bei dem Gedanken geht mein Atem etwas schneller. Etwas beenden, mich von etwas trennen, das fällt mir schwer. Lieber behalte ich es und packe etwas Neues obendrauf und will das alles schaffen und behalten und versorgen. Aber das ist gefährlich. Ich kann mich dabei verlieren, mich und meine Kraft und Energie, meine Freude, bestimmte Dinge zu tun, zu genießen, zu leben.
Ich stehe auf und recke mich. Da sind noch die Lust und die Neugier, es auszuprobieren: prüfen, loslassen und behalten. Und ich ahne, dass ich das kann, weil ich damit nicht allein bin, weil Gott, die Ewige mitmacht und mir immer wieder ins Ohr flüstert: Prüfe alles und behalte das Gute!
Susanne Paul, Landesfrauenpastorin, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers
Beitragsfoto: CanvaPro