PREKÄRE ARBEIT

Einblicke in weitere Branchen und Vertiefendes

Wer anfängt, auf Anzeichen von prekärer Beschäftigung zu achten, wird sie an vielen Orten und in etlichen Branchen entdecken.

So ist diese Auflistung von Berichten und Studien wiederum nur exemplarisch. Wir sind froh über die Arbeit engagierter Berater*innen, Branchenexpert*innen und Wissenschaftler*innen, die sich sowohl um die/den Einzelne*n kümmern und zugleich nicht müde werden, über ihre Erfahrungen zu berichten und sich für die Veränderung der Arbeits- und Lebensbedingungen in toto einzusetzen. Im Laufe unserer Arbeit haben wir etliche von ihnen und ihre Einrichtungen kennengelernt.

Deshalb legen wir Ihnen für weitere Einblicke hier besonders ans Herz:

Die Studie „Harte Arbeit“ des Peco-Institutes  V. über die Arbeit im Hochbau. Erschienen im Dezember 2023, informiert diese Studie auf kompakten 32 Seiten über die Veränderungen in der Bauindustrie und die Folgen für Arbeitnehmende. „Peco“ steht für „Pays de l’Europe centrale et orientale“ und verweist damit auf die Gründungszeit des vor 20 Jahren gegründeten Institutes: Beim Beitritt osteuropäischer Staaten stand damals besonders die Agrarwirtschaft im Fokus. Heute arbeitet das Institut gewerkschaftsnah in diversen Branchen, insbesondere auch in der Bauindustrie.

Die zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gehörende Beratungseinrichtung Faire Mobilität (https://www.faire-mobilitaet.de/) berät an 12 Standorten bundesweit Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa und klärt muttersprachlich über Arbeitsrechte in Deutschland auf. Die Berater*innen sind in diversen Branchen „unterwegs“, hier die Links:

  • zur Ende 2024 erschienenen Fallsammlung zu den Erfahrungen im Glasfaserausbau, → Fallsammlung
  • zur Fallsammlung aus den Erfahrungen in der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche (KEP) (April 2024) → Fallsammlung
  • zum Branchendossier Fleischindustrie (März 2023). → Branchendossier

Die Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel (https://www.servicestelle-gegen-zwangsarbeit.de/) dokumentiert entsprechende Fälle und bereitet diesbezügliche Informationen auf. Ihr Zugang unterscheidet sich damit von den vorhergenannten Einrichtungen, die auch selbst Beratung, Projekte und Bildungsangebote unterhalten. Alle zwei Jahre veröffentlicht die Servicestelle eine Branchenanalyse, die jeweils zwei Branchen beschreiben:

 


Prekäre Arbeit in der Paketbranche

Ein Fallbeispiel aus der Kurier-, Express- und Paketbranche

Im Februar 2025 meldete sich eine Frau aus Rumänien bei uns, die für einen Subunternehmer in der KEP-Branche in Baden-Württemberg gearbeitet hatte. Sie arbeitete als Paketzustellerin. Sie war bereits zurück in Rumänien, als sie sich an uns wandte. Sie hatte mehrere Beschwerden, hauptsächlich wegen nicht gezahlter Löhne.

Sie berichtete, dass ihr Arbeitgeber sie etwa einen Monat zuvor gekündigt und sie gleichzeitig gezwungen hatte, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Für den letzten Monat ihrer Beschäftigung hatte sie überhaupt keinen Lohn erhalten. Für den Monat davor hatte sie nur ein paar hundert Euro erhalten. Sie hatte weder einen Arbeitsvertrag noch einen Mietvertrag, und sie hatte nie einen Lohnzettel erhalten. Sie arbeitete etwa 11 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche.

Die Frau berichtete über eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands nach einer schweren Fußverletzung, die sie sich während ihrer Beschäftigung bei dem Subunternehmer zugezogen hatte. Diese Verletzung war auf unzureichende Sicherheitsausrüstung und Schutzkleidung zurückzuführen. Es überrascht nicht, dass ihr Arbeitsunfall nie gemeldet wurde und sie gezwungen war, mit ihrer Verletzung zu arbeiten.

Neben den ausbeuterischen Arbeitspraktiken des Unternehmens war die Frau auch zu Hause nie sicher gewesen. Die Wohnung war ihr vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden. Allerdings war sie dort nie gemeldet. Sie hatte nie ihren eigenen Namen auf dem Briefkasten stehen. Außerdem hatten mehrere Kontaktpersonen des Arbeitgebers Kopien ihrer Wohnungsschlüssel und verschafften sich Zugang zu ihrer Wohnung, während sie auf der Arbeit war, um ihre Sachen zu durchsuchen und die Heizung abzudrehen. Ihre „Räumung“ wurde mit Gewalt durchgeführt, da der Arbeitgeber in ihrer Wohnung aufgetaucht war, sie bedroht und sogar ihre Wohnung durchsucht hatte.

Eine fehlende deutsche Adresse und das Fehlen von schriftlichen Arbeitsunterlagen erschweren diesen Fall. Wir helfen ihr jedoch bei der Erstellung einer Lohn-Geltendmachung.