PREKÄRE ARBEIT

Prekäre Arbeit in der Fleischindustrie

Was hat sich getan seit Corona?

Im Frühjahr 2020 brachen die ersten Corona-Fälle auf den Schlachthöfen der Fleischindustrie aus und machten offenbar, was Aufmerksame schon länger wussten oder ahnten: schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen mehrerer Tausend Beschäftigter und ein System, das es schwer bis unmöglich machte, diese zu verbessern, geschweige denn, wirklich wirkungsvoll gegen die Corona-Ausbrüche vorzugehen. Denn: Die Arbeitenden auf den Schlachthöfen waren nur in den seltensten Fällen Angestellte der Schlachthöfe, sondern stattdessen Beschäftigte in einem Leiharbeits- und Werkvertragssystem, sodass sie manchmal selbst nicht sicher waren, für wen sie arbeiteten. „Organisierte Verantwortungslosigkeit“ brandmarkten dies die Gewerkschaft NGG und zivilgesellschaftlich engagierte Initiativen, und tatsächlich war der mediale Aufschrei so groß, dass zum Ende des Jahres 2020 das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz verabschiedet wurde.

Seit 2021 ist der Einsatz von Werkvertragsunternehmen für den Schlachtbereich untersagt. Die dort Arbeitenden müssen Mitarbeiter*innen des Schlachthofes sein.

Mehrere Tausend Beschäftigte erhielten neue Arbeitsverträge und auch die anderen Bestandteile des Gesetzes sorgten für eine Verbesserung der Bedingungen (Sie betreffen z. B. verpflichtende Arbeitszeitaufzeichnungen, die Mindestanforderungen an Unterkünfte oder auch die Mindestkontrollhäufigkeit des Arbeitsschutzes).

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat im März 2025 mit der Studie Neue Arbeitswelt in der Fleischindustrie? eine Bilanz der Nach-Coronazeiten veröffentlicht und sieht die Veränderungen positiv, äußert sich aber dennoch verhalten (→ zur Zusammenfassung). Denn noch immer sind z. B. die Löhne für die Beschäftigten gering (zum Teil wird nur der allg. Mindestlohn gezahlt). Beratungsstellen berichten, dass es den ehemaligen Werkvertragsunternehmern gelungen ist, weiterhin in der Branche tätig zu sein und (wie vorher) für das Anwerben von Kräften, für die Unterbringung, für den Transport und/oder für die Einarbeitung zuständig zu sein. Zum Teil haben sie sogar Positionen innerhalb der Fleischbetriebe erhalten. So kommt es, dass auch illegale Praktiken, wie überteuerte Mieten, Abzüge für Schutzkleidung und Messer (hat der Arbeitgeber zu stellen!), ungerechtfertigte Kündigungen und grobe Behandlungen fortbestehen.

Der Branchenreport der Beratungsstelle Faire Mobilität von März 2023 (→ Branchenreport) beurteilt ebenfalls die Veränderungen durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz weniger positiv. Er liefert zugleich einen Einblick in die Struktur der Branche.