Gedanken zu Matthäus 5,6 – Bausteine zum Nachdenken oder auch als Impulse für eine Andacht
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit. Denn sie sollen satt werden.
(Matthäus 5,6)
Hunger und Durst nach Gerechtigkeit – dazu kann einem, wenn man sich in der Landwirtschaft umschaut, Folgendes einfallen:
- Landwirte und Landwirtinnen möchten gerecht behandelt werden, was sowohl die Möglichkeit einer ausreichenden Wertschöpfung durch ihre Arbeit als auch die Anerkennung durch Politik und Gesellschaft umfasst.
- Weibliche Betriebsinhaberinnen wünschen sich mehr unterstützende Rahmenbedingungen für Familienarbeit und eine gerechte Behandlung im Vergleich mit männlichen Kollegen oder auch angestellten Frauen.
- Ohne die Saisonarbeitskräfte, die in Stoßzeiten in unserer Landwirtschaft tätig sind, geht vieles nicht. Wie kann die Entlohnung gestaltet werden, sodass sie gerecht und zugleich bezahlbar ist? Wie sieht eine angemessene Unterkunft aus?
- Kleinbäuerliche Landwirte und Landwirtinnen hier und anderswo sollten in internationalen Handelsbeziehungen, die auf ökonomisches Wachstum und günstige Produktion setzen, nicht das Nachsehen haben.
Was ist Gerechtigkeit?
Gerechtigkeit liegt in vielen Formen vor. Die am einfachsten nachzuvollziehende Form ist, dass alle gleich viel erhalten. So lernen wir es in der Kindheit. Später merken wir: Wenn jeder und jede das Gleiche bekommt, ist das nicht unbedingt gerecht. Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder und jede das bekommt, was er/sie in seiner/ihrer besonderen Situation mit besonderen Bedürfnissen nötig hat. Darin liegt aber auch die Unschärfe. Denn in den meisten Fällen kann man darüber diskutieren, was wirklich nötig, also, was wirklich gerecht ist.
Die Gerechtigkeit vor Gott hat im christlichen Verständnis etwas mit Beziehung zu tun. Eine heile Beziehung zwischen Gott und Mensch findet auch im Umgang mit anderen ihren Ausdruck. Nach protestantischem Glauben kann der Mensch die Gerechtigkeit zwischen Gott und sich selbst nicht herstellen (keine Werkgerechtigkeit). Nur Gott kann diese geben.
Biblischer Zusammenhang
Die Seligpreisungen befinden sich am Anfang der Bergpredigt. Diese ist die erste der Reden Jesu, die im Matthäusevangelium wiedergegeben werden. „Gerechtigkeit“ ist ein zentrales Stichwort der Bergpredigt. Jesus Christus verkörpert diese Gerechtigkeit. Wer an Jesus Christus glaubt und versucht, sich an ihm zu orientieren, ist angehalten, das Prinzip Gerechtigkeit auch im eigenen Verhalten anzuwenden. So können wir als Menschen auf das Geschenk der Gerechtigkeit antworten, die Gott uns gibt. Gerechtigkeit ist also nichts Jenseitiges, sondern etwas, von dem wir als Christen leben und um das wir uns jederzeit in dieser Welt bemühen sollten.
Was folgt daraus?
Als Christen setzen wir uns für die weltliche und menschliche Gerechtigkeit ein, wo wir können. Gerechtigkeit muss immer neu definiert und in verschiedenen Zusammenhängen entsprechend beschrieben werden. Nur wenn diese ständige Reflexion und Anpassung stattfindet, können wir gerechten Verhältnissen näherkommen.
Im Kontext der Arbeitswelt sollte jede Person, deren Tätigkeit unserer Umwelt und anderen Menschen zugutekommt, in ihrer Arbeit geachtet, angemessen behandelt und wertgeschätzt werden. Dieselben Grundsätze für den Umgang miteinander gelten gegenüber Menschen, die – zum Beispiel aufgrund einer Beeinträchtigung – nicht am Arbeitsleben teilhaben können. Gerechte Behandlung umfasst Menschen aller sozialen, religiösen und kulturellen Gruppen.
Hunger und Durst nach Gerechtigkeit sind nötig. Denn nur mit der Sehnsucht, dass es anders sein könnte, hat man auch den Ansporn, etwas zu verändern. Für uns Christen ist der Glaube an Jesus Christus die Basis dafür, uns für Gerechtigkeit in dieser Welt einzusetzen.
Pastorin Cornelia Möller, Referentin für Land- und Ernährungswirtschaft der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers und der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.
→ https://www.kirchenagentur.de/themen/oeffentliche-verantwortung/arbeit-wirtschaft
Verwendete Literatur zur Bergpredigt:
- Reinhard Feldmeier, Salz der Erde. Zugänge zur Bergpredigt. Biblisch-theologische Schwerpunkte Bd. 14, Göttingen 1998.
- Thomas Söding, „Er öffnete seinen Mund und lehrte sie …“ (Mt 5.2). Die Bergpredigt. Neutestamentliche Master-Vorlesung im Wintersemester 2011/12, Bochum.
https://www.kath.ruhr-uni-bochum.de/imperia/md/
content/nt/nt/aktuellevorlesungen/vorlesungsskriptedownload/
ws11-12/skript_bergpredigt__ws_2011_rub.pdf.