Autor: Pfarrer Dr. Jochen Gerlach

Wir sind erschüttert, in Deutschland, in den USA, welt- weit – besonders die Kolleginnen und Kollegen von VW sind erschüttert. Es herrscht eine getrübte Stimmung in den VW-Werken. Die meisten fragen sich: Wie konnten die verantwortlichen Ingenieure und Führungskräfte durch den Betrug den gesamten Betrieb so schädigen? Wie konnten sie die Behörden, die Käuferinnen und Käufer so täuschen? Es gibt auch trotzige Stimmen: Die Verbraucherinnen und Verbraucher kümmerten sich am Ende doch nicht um die Abgaswerte und das Klima. Viele Menschen – auch weit über den Konzern hinaus – sorgen sich, wie weit die Strafgelder und Schadenersatzansprüche den VW-Konzern schädigen werden.

Nicht nur wenige

Es ist noch nicht klar, wie viel Beschäftigte und Füh- rungskräfte bei VW von dieser Manipulation gewusst haben, aber es war nicht nur eine „kleine Gruppe Eingeweihter“. Zahlreiche Ingenieure wussten, was gemacht wurde; das Wissen um die technischen Pro- bleme der Dieseltechnik reicht bis weit in die obersten Führungsetagen. Die Täuschung der staatlichen Prüfer, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der ge- samten Belegschaft ist ein schweres Vergehen! Es geht weit über das hinaus, was an sonstigem „Schummeln“ vorkommt. Daher wird die juristische Aufarbeitung noch lange dauern.

Mut zum Scheitern-Können

Die Krise bei VW wirft erneut und eindringlich die Fra- ge auf: Welche Führungskultur und Leitwerte brauchen wir in den Unternehmen? Es muss eine Führungskultur sein, die auch unter härtesten Wettbewerbsbedin-

gungen Ehrlichkeit und Rechtstreue durchhält. Die Zielvorgabe, mit der eigenen Dieseltechnik die Grenz- werte zu erreichen, stellte sich als unerfüllbar heraus. Wenn sich Zielvorgaben trotz allem Einsatz und aller Management- und Ingenieurskunst als unrealistisch erweisen, stellt sich die Frage, was zu tun ist. Können/ müssen Zielvorgaben verändert werden? Mit wem müs- sen die Probleme besprochen werden, damit eine gute und ehrliche Lösung gefunden werden kann? In jedem Fall braucht es eine Führungskultur, in der Scheitern möglich ist. Scheitern können ist ein hoher Wert aus der christlichen Tradition. Eine gute Fehlerkultur ist ein erster Schritt. Einen Schritt tiefer reicht eine Kultur, in der ein ehrlicher Umgang mit Scheitern möglich ist.

Ein ehrlicher Neuanfang

Scheitern kann auch mit Schuld verbunden sein. In den nächsten Wochen wird die Schuldfrage bei VW immer wieder gestellt werden. Schuld ist menschlich. Schuld erfordert Eingeständnis, Konsequenzen tragen – und dann Vergebung und Neuanfang. In einem Neuanfang liegt die große Chance, eine neue Führungskultur zu entwickeln, in der Leistung Hand in Hand mit Ehrlich- keit und Scheitern einhergehen kann. So kann das verlorengegangene Vertrauen wieder neu aufgebaut werden.

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