Ein Bericht vom diesjährigen „ taz.lab“ in Berlin
Vom „Urschleim“ (Karl Marx) über die „Gender Pay Gap“ bis zum „Aufruf zur Produktivitätsverweigerung“ – wow, dachte ich, da muss ich dabei sein! Und damit war ich nicht allein. 2000 Menschen kamen wegen dieser und vieler weiterer brennender Themen am 21. April im „Haus der Kulturen der Welt“ zum „taz.lab“ zusammen. Der jährliche Kongress der „Tageszeitung“ fragte dieses Mal nach der Zukunft der Arbeit und den vielen hier anknüpfenden Themen. Ein Programm mit über 50 Einzelsessions stand vor einem, das heißt gute Planung war angesagt.
Seit vielen Jahren diskutieren wir im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt über die Zukunft der Arbeit oder die Arbeit der Zukunft oder was ist eigentlich los mit dieser Arbeitswelt? Geht uns die Arbeit aus, weil in der Zukunft die Roboter unsere Arbeit erledigen?
Für die einen ist Arbeit „bloß“ lästiges Übel, um sich das Leben leisten zu können, für andere bedeutet Arbeit sinnstiftende Selbstverwirklichung, und wieder andere versuchen ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben hinzubekommen. Arbeit wird zunehmend ungerecht verteilt so ist sie zu einem zentralen Thema in der Gesellschaft geworden, die von Globalisierung, von weltweiter Arbeitsteilung und damit von unsicherer Lebensplanung begleitet wird.
Hier meine Perlen, die ich dazu im „taz.lab“ in der „Schwangeren Auster“ aufgesammelt habe:
Die große Sorge der Menschen, die Angst vor der Maschine? Zu dem Workshop muss ich unbedingt. Also starte ich am Samstag um 9:00 Uhr mit dem Vortrag von Wolfgang Ertel: „Künstliche Intelligenz, Chance für die Menschheit oder Jobkiller“
Ertel ist ein echter Forscher und Enthusiast auf dem Feld der Informatik. Er schafft Begeisterung für die Forschung, er steigt über die Lerntheorie ein und erklärt uns KI. Es geht hauptsächlich um lernfähige Algorithmen, denn die Intelligenz der Menschheit nimmt kaum noch zu, die der Computer dagegen rasant. Das autonome Fahren von Autos, die Auswertung von CT und MRT-Bildern in der Medizin und Serviceroboter oder Assistenzroboter im Alltag sind bereits in unserer Vorstellungswelt angekommen. Dies bedeutet jedoch auch den Verlust von Arbeitsplätzen. Ertel ruft aber dazu auf, bevor diese Roboter an den Markt gehen, muss ein gesellschaftlicher Diskurs zu diesem Thema stattfinden, denn eins ist klar, Emotionen könne vielleicht schon durch maschinelles Lernen nachgebaut werden, aber Bewusstsein, dass ist ein ernstes Problem!
Kurze Verschnaufpause, schnell weiter zu: „Braucht es eine Nichtarbeitgeberpartei? Grundeinkommen als neues Band der Postindustriegesellschaft“. Arbeit war der zentrale Begriff für menschliche Identität. Arbeit war der Ort der Solidarität und der Gruppe und nun?
Ein hochkarätiges Podium (Katja Kipping, Daniel Häni, Jagoda Marinic und Boris Palmer diskutieren mit Peter Unfried (taz Chefreporter). Ganz bewusst soll hier nicht über die üblichen Killerphrasen diskutiert werden, die sagen, dass das nicht finanzierbar sei, die Menschen lägen nur in der Hängematte oder es sei eine Stilllegungsprämie. Nein, die Gesellschaft benötigt eine neue Basis, die zusammenhält und wieder trägt, wie kann es gelingen, den Menschen wieder zu einem Teil des Ganzen zu machen, so dass er sich wirkmächtig in der Gesellschaft erleben kann.
Es wurde eine wertschätzend Debatte geführt, die Raum für unterschiedliche Argumente bot. Dieser Satz blieb hängen: „Mensch ist, wer ein Grundeinkommen bezieht!“ – Das war die Aussage einer Teilnehmerin.
Der Vortrag des Soziologen Heinz Bude zu „lovely an lousy Jobs. Die Digitalisierung, das Alter und die Zukunft der sozialen Ungleichheit“ spitze die Debatte um die Polarisierung der Arbeitswelt zwischen Kultur- und Wissensarbeitern der Hochqualifizierten und den routinierten Dienstleistungen, der neuen service class, zu. Dies führe in vielen Fällen zur Dequalifizierung der Berufe und zur „Gamifizierung“ (Bonuspunkte für gute Leistungen und ein Fortschrittsbalken für laufende Projekte: Was es sonst nur bei Computerspielen gibt, taucht immer öfter in der Berufswelt auf). Die „lousy jobs“ erleben aber das genaue Gegenteil: personalisierte Herrschaft und direkte harte und häufig auf den Körper bezogene verbale Angriffe.
Die spannende Frage, die bei mir hängen bleibt: „Wird der Arbeitsplatz noch eine Ort sein, an dem wir Solidarität erfahren?“ Gibt es noch ein „Wir“? oder steht das einzigartige Profil von Kompetenzen und Potenzialen des Einzelnen im Vordergrund?
Nico Paech stellt wie immer die Wachstumsfrage: diesmal der Aufruf zur Produktivitätsverweigerung, weil die Ausbeutung der menschlichen Ressourcen auf Dauer zu psychischen Belastungen führt.
Für mich endet der Tag mit der Aufforderung „Tu was“, im Gespräch mit Robert Habeck, der Hoffnungsträger der Grünen, will Mut machen für Zukunftsvisionen und Optimismus, wir müssen die Konsens-Soße in der wir erstarrt sind verlassen.
Gudrun Nolte
Leiterin KDA Nordkirche und stv. Vorsitzende Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA Bund)