Im Mai 1984 veröffentlich Wolfgang Niedecken eine Platte auf der unter anderem folgender Satz zu finden ist: „Die rüsten weiter als wäre gar nichts mit der Wahnsinns-Konsequenz, dass man Kriegsminister jetzt Verteidigungsminister nennt“. Das Lied, in dem der Satz vorkommt ist eine Vision über den möglicherweise bevorstehenden dritten Weltkrieg, damals im Angesicht der atomaren Hochrüstung in Ost und West. Diese Hochrüstung ist zumindest in der damaligen Form Geschichte. Die Frage nach Krieg und Frieden jedoch nicht. Im Gegenteil, sie scheint präsenter denn je!

 

Sozialgeschichtlich wird Krieg unter anderem als eine Form der Aggression zwischen Gruppen beschrieben. Der Wettbewerb um Ressourcen führt zu unterschiedlichsten Gestalten von Gewalt. Deutlich wird mir dies in meiner täglichen Arbeit mit Langzeiterwerbslosen und Menschen, die von Einkommen am Existenzminimum leben müssen. Im laufenden Jahr war ich mit einer solchen Gruppe zu einer einwöchigen Studienreise in Süditalien. Dieser Reise voraus gegangen sind die Auseinandersetzungen mit der Frage, ob Teilhabe auch bedeutet, eine solche Reise möglich zu machen. Die Gespräche in meinem Umfeld waren alles andere als „solidarisch“. Viele Menschen können nicht verstehen, warum Arbeits- beziehungsweise Erwerbslose auch noch in den Urlaub geschickt werden.

 

Ein Gespräch ist mir hierbei besonders in Erinnerung geblieben. Eine Seniorin, weit über achtzig meinte: „Es gab Zeiten, da hätten wir die ins Arbeitslager geschickt, und Sie fahren in den Urlaub“. Da war sie, die Aggression zwischen Gruppen zum Greifen. Solche Rückmeldungen, sie sind leider keine Einzelfälle, habe ich tatsächlich als Krieg empfunden. Vielleicht ist die Vision eines dritten Weltkrieges bereits real? Nur eben nicht als atomarer Endzeitakt, sondern als alltägliche Kontroverse in einem der reichsten Länder der Erde. Getarnt als Destruktion dessen, was in unserem Grundgesetz ganz am Anfang steht, der Würde des Einzelnen. Der Mensch darf sein, bedingungslos!

 

Ich nehme dagegen wahr, dass diese Würde von immer mehr Menschen mit dem Leistungsgedanken verbunden wird. Das Ganze wird verstärkt, seit in unserer Gesellschaft durch eine große Volkspartei die biblische Feststellung, dass nur essen soll, wer auch arbeitet, zutiefst unredlich missbraucht und exegetisch völlig falsch angewandt wurde! Denn ob zu biblischen Zeiten oder auch heute, ist die Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott, beziehungsweise seine Würde im Sinn unseres Grundgesetzes, an keinerlei Bedingung geknüpft. Wie kann es also gelingen, die alltägliche Aggression zwischen gesellschaftlichen Gruppen abzuschalten? Wie kann es gelingen, den sozialen Kampf – Krieg um unfassbar reichhaltige Ressourcen, zu beenden.

 

Aus genau diesen Gründen beschäftige ich mich mit dem Thema eines bedingungslosen Grundeinkommens. Ist es möglich, jedem Menschen das zur Verfügung zu stellen, was er zu einem würdevollen Leben braucht? Können wir als Menschen ein System schaffen, ähnlich dem Beispiel des Alten Testaments, als Gott bedingungslos Manna vom Himmel regnen lässt? Kann ein solches System zu sozialem Frieden beitragen?

Oder lässt es eben, durch Aggressionen zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, ein weiter Auseinanderdriften zu? An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass Finanzierung und Machbarkeit hier nicht dargestellt werden kann. Ich unterstelle jedoch, dass bei einem erklärten politischen Willen, ein bedingungsloses Grundeinkommen möglich ist! Weiterführende Informationen finden sich auf der Webseite des Netzwerks Grundeinkommen: www.grundeinkommen.de

 

Deshalb jetzt zum Zentrum der Fragestellung: Heute einen Krieg beenden; wie geht das im konkreten Fall? Kriegsminister oder Verteidigungsminister? Krieg ist eine Form kollektiven Handelns. Frieden, oder der Wille Frieden zu schließen, ebenso! Für Krieg gibt es die These, dass es sich um einen gesellschaftlichen Evolutionsbeschleuniger handelt. Warum soll dies nicht auch für Frieden gelten? Unser Sozialsystem hat sich immer dann entwickelt und verändert, wenn evolutionäre Eckpunkte dazu gezwungen haben. Heute sind wir wieder an einem solchen Punkt. Die Welt verändert sich im Zeichen der Digitalisierung rasend schnell! Damit einhergehend, wird das Gedankengut der Abgrenzung, des Nationalstaatentums und der Entsolidarisierung nicht nur gesellschaftsfähig, es erscheint vielen auch als alternativlos.

 

Dies steht insbesondere im Zusammenhang mit den Veränderungen und Ängsten, die durch die digitale Revolution unserer Welt ausgelöst werden. Kann da ein bedingungsloses Grundeinkommen die Antwort sein? Die Vision hat einen entscheidenden Hacken, es gibt kein Beispiel, dass als Vorbild taugt. Fragmente, Teilergebnisse und zum Großteil unsachliches Halbwissen, getrieben von unterschiedlichen Lobbygruppen, erschweren den Diskurs. Besonders tragisch erscheint mir hierbei, dass es immer wieder gelingt, Menschen gegeneinander auszuspielen. Rentner gegen Aufstocker, Geringverdiener gegen Hartz-IV-Bezieher, Arbeiter gegen Arbeitslose, Studenten gegen Handwerker. All diese Gruppen hätten jedoch eins gemeinsam, sie würden von einem solchen System profitieren. Hier muss Frieden ansetzen.

 

Den Aggressoren der unterschiedlichen Gruppen ein Friedensangebot machen. Klar formulieren, dass es Ressourcen gibt, die so unerhört vorhanden sind, dass man sie in ausreichendem Maß verteilen kann. Nämlich nicht, um den Leistungsgedanken auszuhebeln, sondern um ein Fundament der Würde zu schaffen. Eine Basis, die den vielleicht schon tobenden dritten Weltkrieg, den um die Verteilung der vorhandenen Ressourcen, beendet. Wer etwas Neues nicht probiert, wird nie erfahren, ob es funktioniert. Ich meine, ein bedingungsloses Grundeinkommen taugt zum Friedensstifter. Es kann helfen Aggressionen in Mitmenschlichkeit zu transformieren, es kann eine Antwort sein. Eine Antwort auf den Krieg, der ganz klein, aber flächendeckend in unser Leben Einzug gehalten hat. Deshalb die These:

Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann als Evolutionsbeschleuniger zum Frieden taugen, in einer sich rasend schnell verändernden Welt.

Ralf Weidner
Theologe | Fachreferent im
Referat Wirtschaft-Arbeit-Soziales
Dezernat Bildung im Landeskirchenamt
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