Zurzeit gibt es zwei parallel laufende Initiativen, die ein Lieferkettengesetz zum Ziel haben. Beide sind geeignet die Wahrung der Menschenrechte entlang von Wertschöpfungsketten in den Blick zu nehmen. Zum einen ist das die Initiative für ein Deutsches Lieferkettengesetz, welche im Juli wieder mediale Aufmerksamkeit erlangte, als die Bundesminister für Arbeit, Hubertus Heil, und für Entwicklungszusammenarbeit, Gerd Müller, mit Ergebnissen einer Unternehmensumfrage aufwarteten. Zum anderen hat sich eine medial wenig beachtete Initiative auf europäischer Ebene formiert, die eine EU-Gesetzgebung anstrebt. Dazu später mehr.

Das Bemühen zivilgesellschaftlicher Akteure, Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen, was die Einhaltung von Menschenrechten anbelangt, hat insofern schon Früchte getragen, als dass im Koalitionsvertrag von 2017 der Nationale Entwicklungsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) (Link: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/297434/8d6ab29982767d5a31d2e85464461565/nap-wirtschaft-menschenrechte-data.pdf), der schon 2016 beschlossen wurde, erneut Erwähnung fand. Konkret ist formuliert, dass die Koalition gesetzlich tätig wird, wenn eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht. Zur Überprüfung wurde 2020 genannt.

Deutsche Gesetzesinitiative

Schon im Frühjahr wagten Heil und Müller einen Vorstoß, ohne dass Ergebnisse der Überprüfung vorlagen. Sie wurden entsprechend von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zurückgepfiffen. Letzterer wird indes nicht müde die Argumentation der Unternehmensverbände zu wiederholen, ohne auf berechtigte Kritik an den Argumenten einzugehen.
Häufig genannt wird ein prognostizierter Standortnachteil für deutsche Unternehmen, da es weltweit keine vergleichbaren Gesetze gäbe. Der Verweis auf Frankreich, wo bereits 2017 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde genügt, um das Argument zu entkräften. Weniger weitreichende Gesetze beispielsweise in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich brauchen dann nicht mal mehr Erwähnung finden.
Außerdem wird gerne der Kostenfaktor ins Geld geführt. Unternehmen könnten weniger investieren, die zusätzlichen finanziellen Hürden nicht tragen und am Ende sogar haftbar gemacht werden, wenn Menschenrechte nicht eingehalten werden. Unisono erklingen diese Bedenken von Verbänden wie der Deutschen Industrie- und Handelskammer, des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen, des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Und man mag zurückfragen: Ja wer soll denn sonst haftbar gemacht werden, wenn nicht der Unternehmen, die unter Missachtung der Menschenrechte Profite erwirtschaften? Darauf hat auch Altmaier bisher keine gute Antwort gefunden. Die finanziellen Belastungen der Covid-19-Pandemie eigneten sich aber gut, um das Thema vorerst vom Tisch zu wischen.

Im Juli wurden dann Ergebnisse der genannten Überprüfungen des NAP öffentlich und die Erwartung der zivilgesellschaftlichen Initiative Lieferkettengesetz und der Minister Heil und Müller wurden bestätigt: Nur etwa 20% der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern konnten umfassend Auskunft geben, ob Standards eingehalten werden. Das sagt noch nichts darüber aus, wie ernst Standards, hier also Menschenrechte(!) genommen werden.

Mit einem Mal drängt nun auch die Kanzlerin auf eine schnelle Umsetzung der Gesetzesinitiative. Scheinbar konnten sich Heil und Müller innerhalb der Regierung gegen Altmaier durchsetzen. Derweil hat die Bundesrepublik aber auch die Ratspräsidentschaft in der EU übernommen und damit ein geeignetes Forum geschaffen, um auch auf Europäischer Ebene eine Gesetzgebungsinitiative in Gang zu bringen.

Ankündung von EU-Kommissar Reynders

Daneben hat es auf Ebene der EU Ende April eine bemerkenswerte Äußerung des Kommissars für Justiz und Rechtsstaatlichkeit gegeben. Bei einer Veranstaltung der parlamentarischen Arbeitsgruppe für verantwortungsvolles wirtschaftliches Handeln sagte er, dass die Kommission 2021 eine Gesetzgebungsinitiative für verbindliche Sorgfaltspflichten beginnen werde (Link: https://responsiblebusinessconduct.eu/wp/2020/04/30/european-commission-promises-mandatory-due-diligence-legislation-in-2021/).

Weitere Details sind dazu noch nicht durchgedrungen. Wenn die Ankündigung ernst gemeint ist, ist jedenfalls mit einer Verordnung oder Richtlinie zu rechnen, die unternehmerische Sorgfaltspflichten beinhaltet.

Möglicherweise nimmt der Prozess während der deutschen Ratspräsidentschaft noch Fahrt auf. Die Staatssekretärin im Ministerium für Entwicklungszusmmenarbeit, Maria Flachsbart, hatte zumindest bei einem Webinar im Juni angekündigt, die Ratspräsidentschaft nutzen zu wollen, um ein Lieferkettengesetz auf Europäischer Ebene voran zu bringen. (Link: https://www.youtube.com/watch?v=VdcvM2qg5Hg)

Und wir als Christinnen und Christen?

Spitzenverbände der katholischen und der evangelischen Kirche unterstützen bereits die Initiative Lieferkettengesetz (Link: https://lieferkettengesetz.de/). Dort gibt es auch Informationen, wie sich jeder einzelne einbringen kann.

Als Verbraucher können wir außerdem kritisch Nachfragen bei Unternehmen: Wo kommt das Produkt her? Wie wird dort in der Ferne produziert? Werden die Menschenrechte geachtet?

Es gibt in einigen Landeskirchen Initiativen, sich als „Faire Gemeinde“ zertifizieren zu lassen. Vielleicht gibt es vergleichbares auch vor Ort. Aber auch ohne Zertifikat, kann man mit offenen Augen einkaufen. Denn es gibt Unternehmen, die sich freiwillig verpflichten, ihre Lieferketten im Blick zu behalten. Aus Überzeugung, und ganz ohne gesetzliche Grundlage.

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Benjamin Sadler
Referent in der Wirtschaftsregion Osnabrück
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