„Digitalisierung“ scheint die Antwort auf viele Problemstellungen unserer Zeit zu sein. Egal, ob Gesundheitsrisiken besser bewältigt werden sollen durch z.B. den Einsatz der Corona-Warn-App oder den besseren Austausch von gesundheitsbezogenen Daten, ob Schüler:innen besser lernen sollen – sowohl in der Schule als auch von zuhause aus –  oder ob Arbeit ganz allgemein effektiver und angenehmer gestaltet werden soll, die Antwort lautet meist mehr Digitalisierung. Dies gilt seit der Corona-Pandemie umso mehr, da Arbeiten, Lernen und Kontakt halten ohne digitale Hilfe kaum möglich wäre. Kein Wunder also, dass das Thema Digitalisierung mit all seinen Facetten auch ein Schwerpunktthema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 ist. Wirft man einen Blick in das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft so fällt auf, dass viel von Daten, Wettbewerb und Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in Europa die Rede ist. Die Vorteile der Digitalisierung für einzelne Branchen werden dargestellt und die Chance auf mehr Nachhaltigkeit durch die Digitalisierung wird hervorgehoben. Ohne Frage, dies alles sind wichtige Aspekte und gehören auf die Agenda. Die Auswirkungen auf den Menschen werden jedoch eher vernachlässigt. Gerade in der Pandemie zeigt sich, dass vielen Menschen der persönliche Kontakt mit anderen Menschen fehlt, sei es das Tür- und Angel- Gespräch mit Kolleg:innen, der Austausch beim gemeinsamen Mittagessen in der Kantine oder ein freundliches Nicken auf dem Gang. Wir nehmen viele non-verbale Signale in Videokonferenzen weniger wahr und können so Reaktionen unserer Mitmenschen weniger gut einschätzen. Wir Menschen sind eben soziale Lebewesen und mehr als Daten und Zahlen. Auch kommt im Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kaum vor, dass Digitalisierung zu einer Spaltung der Gesellschaft in Menschen, die digital arbeiten können und Menschen, die nicht digital arbeiten können, führen kann. Gerade in der Corona-Pandemie zeigt sich, dass es Berufe und Sektoren gibt, die wir für eine funktionierende Gesellschaft dringend brauchen. In diesen Sektoren z.B. Gesundheits- und Pflegesektor, aber auch der Einzelhandel oder die Post ist es jedoch kaum möglich digital zu arbeiten. Es ist bei der Debatte um mehr Digitalisierung entscheidend, dass wir diese Aspekte und den Menschen als soziales Wesen nicht aus den Augen verlieren. Wie dies gut gelingen kann zeigt das Impulspapier des europaweiten kirchlichen Netzwerks CALL (Church Action on Labour and Life) zum Thema Digitalisierung. Es nimmt insbesondere wirtschaftliche und soziale Aspekte der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Veränderungen im Arbeitsumfeld in den Fokus und leistet einen wichtigen Beitrag zur Debatte um mehr Digitalisierung. Und hier sind wir auch bei der Frage:

Und wir Christinnen und Christen? Wie können wir uns zum Thema Digitalisierung verhalten? Neben dem Netzwerk CALL innerhalb der Konferenz europäischer Kirchen (KEK), beschäftigen sich viele Christinnen und Christen innerhalb und außerhalb der Kirchen mit dem Thema Digitalisierung. Auch die Kirchen selbst haben längst erkannt und weisen darauf hin, dass es gilt, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, dabei aber sich ergebende soziale und wirtschaftliche Ungleichgewichte in der Gesellschaft, offen anzusprechen und zu diskutieren. Risiken und Nachteile der Digitalisierung müssen benannt und minimiert werden. Wenn dies gelingt, dann sind wir mit der Digitalisierung auf einem guten Weg und die Digitalisierung kann uns helfen Probleme zu lösen.

 

 

Autorin und Kontakt

Dr. Julia Dinkel
Sprecherin des Europa-Ausschusses KWA

Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung
Albert-Schweitzer-Str. 113–115
55128 Mainz
Tel: 06131 28744-55
E-Mail