Seit 2008 wird immer am 07. Oktober der vom Internationalen Gewerkschaftsbund ins Leben gerufene Tag der menschenwürdigen Arbeit (World Day for Decent Work www.wddw.org) begangen.
Er soll Anlass sein für gewerkschaftliche Organisationen zu werben und natürlich für Gute Arbeit zu streiten. Initiiert wurde der Tag unter dem Eindruck der damals um sich greifenden Bankenkrise, die bekanntermaßen vor allem diejenigen am meisten getroffen hat, die sowieso schon marginalisiert waren.
Jetzt, 12 Jahre später, beherrscht eine umso bedrohlichere Krise den Alltag, denn nun stehen nicht das Finanzsystem und globale Bankenriesen vor dem Kollaps, sondern die Gesundheit der Menschen ist durch Covid-19 bedroht und zum Schutz der Gesundheit werden rund um den Globus wirtschaftliche Einschränkungen in Kauf genommen.
Und auch jetzt schon zeigt sich, dass wieder gerade diejenigen leidtragend sind, die ohnehin in prekären Lagen waren. Wer der Forderung nach menschenwürdiger Arbeit begegnet, denkt vielleicht erstmal an Gewerkschafter in Südamerika, die gegen Großgrundbesitzer angehen und ermordet im Straßengraben gefunden werden. Oder an die vielen Menschen aus Indien, Pakistan, den Philippinen und anderswo, die als Arbeitssklaven Fußballstadien in Katar bauen. Oder an die Kinder und Frauen, die unsere Kleidung unter schlimmsten Bedingungen in Bangladesch zusammennähen.
Aber menschenwürdige Arbeit muss überall eingefordert und immer aufs Neue erkämpft werden. Direkt vor unserer Haustür, in den Nachbarhäusern, im Gewerbegebiet um die Ecke, überall verbergen sich ausbeuterische Arbeitsbeziehungen. So arbeitet eine nicht genau erfasste Zahl von ungelernten Pflegekräften in Deutschland direkt in Haushalten, ohne dass eine Kontrolle erfolgt (Hintergrundartikel: https://katapult-magazin.de/de/artikel/artikel/fulltext/pflegenotstand-wird-durch-ausbeutung-kompensiert/).
So mussten erst hunderte Beschäftigte aus Bulgarien und Rumänien in deutschen Schlachthöfen an Corona erkranken, bis die Bundesregierung die Ausbeutung in der Fleischindustrie angeht, obwohl seit Jahren deutlich auf die Missstände hingewiesen wurde (Aktuelle Informationen vom KDA der Nordkirche: https://www.kda-nordkirche.de/beitrag/161).
So verzichteten die Beschäftigten der letzten großen deutschen Kaufhauskette immer wieder auf Gehalt um ihre Jobs nicht zu verlieren, nur um ein paar Jahre später endgültig vor dem Aus zu stehen, weil der Investor dem nicht nur GaleriaKarstadtKaufhof gehört, sondern auch viele der Immobilien, seiner eigenen Einzelhandelskette keine Mietnachlässe gewährleistet und am Ende die finanzielle Last noch auf Gläubiger abwälzt (Chronik des ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/galeria-karstadt-kaufhof-chronologie-100.html).
So finden sich noch viele weitere Beispiele, die verdeutlichen, dass menschenwürdige Arbeit auch im reichen Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist. Nur etwa 7% der Arbeiter*innen weltweit waren 2015 gewerkschaftlich organisiert. In vielen Ländern der Erde ist es zudem mit großer Gefahr verbunden, sich für die eigenen Rechte zusammenzuschließen. In der globalisierten Welt, mit ihren vielen wirtschaftlichen Verkettungen, ist es daher auch eine Frage der Solidarität gegenüber Menschen in anderen Ländern, aber auch gegenüber den Menschen in Deutschland, sich für Arbeitnehmerrechte stark zu machen.
Und wir Christinnen und Christen? Wir tun das schon oft. Wir können aber auch ganz einfach manchmal noch mehr machen. Auch eine Mitgliedschaft aus Solidarität in einer Gewerkschaft oder anderen NGOs kann helfen, weil eine Grundfinanzierung notwendig ist. Beim nächsten Streik der Busfahrer*innen sollte man sich nicht ärgern, dass man nicht von A nach B kommt. Man kann die Streikenden ansprechen und fragen, wofür sie eintreten. In jedem Fall, sollte man darüber sprechen, dass viele Beschäftigte nicht einer menschenwürdigen Arbeit nachgehen können.
Autor und Kontakt
Benjamin Sadler
Referent in der Wirtschaftsregion Osnabrück
Haus kirchlicher Dienste
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (kda)
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