Immer wieder geht es in aktuellen Diskussionen auch um den Sonntag. Denn jeder und jede hat etwas mit ihm vor: Familienzeit, Freunde wiedersehen (oder aktuell zumindest die Vorfreude darauf auskosten), ein Ausflug in die Natur, Musik hören, Gottesdienst besuchen – oder einkaufen. Einkaufen geht nämlich am Sonntag dort, wo in den Bundesländern in Deutschland die Regelungen gesetzeskonform angewendet werden. Bei dem begründeten Verdacht, dass dieses nicht gesetzeskonform passiert – in der Regel sind das Öffnungen ohne erforderlichen Anlassbezug – , setzen wir uns von der Allianz für den freien Sonntag dafür ein, dass nicht zulässige Öffnungen auch nicht stattfinden. Und gerade aktuell wurden wir bestärkt durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht in NRW vom 24.11.2020, dass z.B. die Bekämpfung negativer Folgen durch die Corona-Pandemie als Anlass nicht ausreicht, die Innenstädte an den kommenden Adventssonntagen zum Einkaufen zu öffnen.

Was schon lange vielerorts und gerade auch von den anliegenden Vermietern und Geschäftstreibenden bei stadtplanerischen Prozessen verschlafen wurde – nämlich die Innenstädte grundsätzlich und nicht nur konsumbezogen zu attraktiven Orten zu machen, fällt uns nun zu Corona-Zeiten doppelt auf die Füße. Wenn die Kunden ausbleiben und lieber ihren „local dealer“ um die Ecke (gerne auch online) unterstützen, wird es doppelt eng für die Geschäftszentren.

Aber wenden wir den Blick doch auf einen oft unterschätzen Aspekt.

„Ach, wir Deutschen“ – hört man dann oft selbstkritisch aus manchen Ecken des eigenen Landes, wir seien doch das Schlusslicht in Europa. In allen anderen Ländern hätten die Geschäfte doch sonntags auf und überhaupt, das Thema sei europäisch doch gar keins mehr.

Doch stimmt das?

Der Eindruck von eigenen Stippvisiten in touristischen Zentren in Europa mag das belegen, doch schauen wir lieber einmal in die Gesetzeslage anderer Länder.

Die folgende Tabelle eines juristischen Fachportals bietet dazu einen Überblick über den Vergleich der 27 EU-Staaten. Im Großteil Europas sind die Läden des Einzelhandels dabei am Sonntag grundsätzlich geschlossen zu halten. Geschlossen, heißt in dem Sinn auch, dass die Sonntagsarbeit grundsätzlich verboten ist.

Land Generelle Regelung Ausnahmen
Belgien geschlossen

 

§   Bäcker und Metzger von 08 bis 12 Uhr

§   touristische Gebiete und Badeorte per Verordnung

Bulgarien geschlossen  
Dänemark

Keine Einschränkung für:

§   kleinere Verkaufsstellen < 3,44 Millionen Umsatz,

§   Verkaufsstellen auf Bahnhöfen und für den

§   Verkauf bestimmter Waren

§   Raststätten auf Autobahnen

§   in Passagierschiffen

§   auf Flughäfen

§   auf Zeltplätzen

§   an den jeweils ersten Sonntagen im Jahr

§   weitere 6 zusätzliche Sonntage (zwei davon im Juli oder August)

§   die Sonntage im Dezember

§   in Deutsch-Dänischen Grenzgebiet von 11 bis 23 Uhr

§   am 24.12., wenn dieser Tag auf einen Sonntag fällt

 

Estland geschlossen §   Supermärkte von 10 bis 21 Uhr
Finnland §   Keine gesetzliche Regelung sein 1.1.2016
Frankreich geschlossen

§   kleine Verkaufsstellen: keine Beschränkung

§   größere Läden und Supermärkte auf Anordnung der Bürgermeister

Griechenland Keine

§   Verkaufsstellen: keine Beschränkung

§   Läden: nur an 18 Sonntagen im Jahr

Großbritannien mit Einschränkungen erlaubt

§   England, Wales: für Verkaufsstellen bis 280 qm keine Beschränkung, darüber eingeschränkt auf 6 Stunden zwischen 10 und 18 Uhr

§   Schottland: eigene Regelungen der Kommunen, daher u.U. 7 x 24 Stunden offen

Irland Keine gesetzliche Beschränkung
Italien Keine gesetzliche Beschränkung
Kroatien geschlossen §   Abhängig von Region und Jahreszeit (Tourismus) von 10 bis 16 Uhr
Lettland geschlossen  
Litauen geschlossen §   Banken in den Einkaufszentren auch am Wochenende
Luxemburg geschlossen

§   bis 18 Uhr für Metzgereien, Bäckereien, Konditoreien, Caterer, Sitz- und Stehverkehrsstellen, Geschäfte, die Zeitschriften, Andenken, Tabakwaren verkaufen

§   der direkte an Verbraucher anderer Geschäfte ist nicht gestattet vor 06:00 Uhr und nach 13:00 Uhr

§   zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigungen sind möglich

§   einmal im Jahr ist eine durchgehende Öffnung während 24 Stunden auf Antrag erlaubt

Malta geschlossen  
Niederlande im Regelfall geöffnet §   von 06:00 bis 22:00 Uhr
Polen Geschlossen (seit 2020)  
Portugal im Regelfall geöffnet (2020) §   von 0:00 bis 06:00 geschlossen
Rumänien im Regelfall geöffnet §   saisonbedingte Unterschiede, meist zwischen 06:00 und 12:00 Uhr geöffnet
Schweden 12:00 – 16:00 Uhr (Supermärkte bis 21:00 Uhr  
Slowakei geschlossen §   Große Geschäfte, Einkaufscenter: 07:00 – 21:00 Uhr
Slowenien Geschlossen (2020) §   Geschäfte < 200 qm
Spanien geschlossen §   4 Sonntage vor Weihnachten
Tschechien keine gesetzliche Regelung §   Auf den Anlass bezogen
Ungarn Seit 2016 liberalisiert §   Von 10:00 bis 18:00
Zypern geschlossen  
Österreich geschlossen Tankstellen, Geschäfte in Flughäfen und Bahnhören
 Quelle: Fachanwalt.de, https://www.fachanwalt.de/magazin/arbeitsrecht/sonntagsoeffnung, gesehen am 23.11.2020

Und haben Sie mitgezählt? So eindeutig ist es halt nicht in Europa, aber anscheinend überwiegt in der Mehrzahl der europäischen Staaten eine ähnliche Gesetzgebung wie in der BRD – der Grundsatz, dass am Sonntag geschlossen ist. Bei einigen Ländern ist entweder keine gesetzliche Regelung vorhanden (was aber nicht bedeutet, dass die Geschäfte grundsätzlich geöffnet sind) und einige wenige eine dezidiert liberalisierte Position.

Es würde es sich lohnen, die Historie bei jedem Land nachzuverfolgen. In Belgien beispielsweise hat sich eine Geschäftskultur durchgesetzt, die sich gut an täglichen Ladenöffnungszeiten ablesen ließ. An einigen Tagen der Woche dürfen Geschäfts in Belgien bis 20 oder 21 Uhr geöffnet haben. Die große Mehrzahl der Geschäfte schließen aber dennoch de facto täglich um 18 Uhr – das betrifft auch Ketten und auch die größten Einkaufsmalls des Landes. Weil die Nachfrage zu gering war – die Belgier den Abend für Ihre Familien reserviert hatten, mit Freunden essen gehen und einfach nichts mehr aus den Läden brauchten. Reiche und soziale Lebenskultur als gutes Maß für Konsum.

Das Beispiel von Belgien zeigt auch: „Es ist alles im Fluss“.  Um diese Entwicklung in Europa mitzugestalten haben sich viele nationale und europäische Organisationen in der Europäischen Allianz für den freien Sonntag zusammengeschlossen. „Ein arbeitsfreier Sonntag und angemessene Arbeitszeiten sind ein hohes Gut für die Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa“, so lautet die zentrale Botschaft an die EU-Abgeordneten. In „Werkstattgesprächen“ mit EU-Abgeordneten und großen „Zeitkonferenzen“ wird das gemeinsame Ziel verfolgt. Und dies zeigt Erfolge. In Polen wurde der Schutz des freien Sonntags erstmals gesetzlich festgelegt. In Kroatien unterstützte die Europäische Sonntagsallianz die Argumentation für den gesetzlichen Schutz des freien Sonntags. Hart gerungen wird derzeit gegen Sonntagsöffnungen in Österreich. Ein Großteil der Bevölkerung spricht sich klar für den arbeitsfreien Sonntag aus. Wirtschaftliche und liberale Kräfte stehen dagegen. In Deutschland konnten „Auswüchse“ von Sonntagsöffnungen verhindert werden durch Aktionen der Sonntagsallianzen und einer restriktiven Auslegung der Gesetzgebung zum Schutz der Sonntage als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“.

Was können die Kirchen tun?

Genau diesen Aspekt können die Kirchen argumentativ unterstützen. Jede Pfarrerin, jeder Pfarrer kann seine Gemeindemitglieder dazu aufrufen, die Besinnung auf das wirkliche Wichtige auch an seinem Konsumverhalten messbar zu machen. Dabei kann sich die Kirche in guter Gesellschaft mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen fühlen. Die Allianzen für den freien Sonntag, in dem die evangelische und katholische Kirchen aktiv mitwirken, werden das 1700jährige Jubiläum des verbrieften Sonntagsschutzes nutzen, um gerade auch den gesellschaftlichen Wert gemeinschaftlich freier Zeit hervorzuheben und zu feiern. Und die European Sunday Alliance auf europäischer Ebene wird hoffentlich bald wieder auf Politiker und Politikerinnen zugehen und uns weitere Beispiele aus den einzelnen Ländern erzählen, dass sich der Wert des Sonntags nicht an der Kasse bemisst.

 

 

Autor/Autorin und Kontakt

Annelies Bruhne
Geschäftsführerin KWA
und Referentin für den KDA
der Landeskirche Hannovers

KWA
Arnswaldtstraße 6
30159 Hannover
Telefon: 0511 473877 14
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Hannes Kreller 
Referatsleiter i.R. der
Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (KAB)

ehrenamtliches Engagement:
ACA, BGW, Deutsche Rentenversicherung, DAK, Finanzgericht München, KAB München und Freising

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