Der Sommer spannt die Segel…

Kaum zu glauben, aber wir können wieder Segel setzen. Oder Wanderschuhe schnüren. Badesachen packen. Urlaub ist möglich in diesem Jahr. Viele werden die Schönheiten Deutschlands entdecken, vieles ist längst ausgebucht. Oder ab in den Süden? Auch das geht. Die Flugzeuge heben wieder ab, und Stau auf der Autobahn gehört zum vertrauten Ferien – Reisefeeling. 

Und dennoch: Ein mulmiges Gefühl reist mit. Und die Masken erinnern uns. Geimpft? Genesen? Getestet? Gesund??? Was ist mit Delta, oder kommt da noch mehr, noch gefährlicheres auf uns zu? Sind die meisten von uns gerade noch mal mit einem blauen Auge davongekommen? Oder war Corona nur der Vorbote, und wir müssen uns darauf einstellen, dass auch unser so sicher geglaubtes Leben in Deutschland, in Westeuropa plötzlich unbekannte und potentiell tödliche Gefahren birgt? 

Auch wenn wir in diesem Sommer (wie im letzten übrigens auch) zu einer Quasi-Normalität zurückkehren können: Es hat sich etwas verändert. Nicht nur wenn wir auf den Sommer, den Urlaub schauen. Der Kalender füllt sich wieder für das zweite Halbjahr, aber jede Terminvereinbarung steht unter dem Vorbehalt: Wer weiß, was dann gilt. Zur Not eben digital, lautet dann oft die Verabredung. Das haben wir eingeübt, die einen mit Leichtigkeit und Freude über gesparte Dienstreisen, die anderen eher zögernd und mit Sehnsucht nach dem gemeinsamen Pausenkaffee, nach Small Talk beim Feierabendbier während der Tagung. 

Was wird aus den vielen Erfahrungen, die wir in der Zeit der Lockdowns gemacht haben? Einsamkeit, Allein sein, Zeit haben, die Relevanz der eigenen Tätig-keit hinterfragen, sich nutzlos fühlen, überlastet sein, Konsumverzicht – oder im Gegenteil exzessives Online-Shopping, selbst kochen müssen… Was werden wir davon mit hinübernehmen in die „neue Normalität“ mit oder nach Corona? Und was ganz schnell wieder vergessen? 

Unser Leben ist fragiler geworden. Vielleicht ist es Zeit, sich zu erinnern: S.C.J. – so unterschrieben früher manche Menschen ihre Briefe. Sub conditione Jakobaea – unter dem Vorbehalt des Jacobus. Dieser Vorbehalt lautet: „Wenn Gott will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun.“ Jak 4,15 . Darin wird im Grunde die Unplanbarkeit der Zukunft mitgedacht. Es kann sein, dass unsere Pläne sich erfüllen. Es kann aber auch sein, dass sie sich in Luft auflösen. Weil Gottes Plan für uns ein anderer ist. Weil Leben das ist, was passiert, während du beschäftigt bist, Pläne zu machen (Life is what happens while you‘re busy making plans), wie John Lennon es formuliert hat. 

Das heißt nicht, dass wir keine Pläne machen sollen. Urlaubspläne, Zukunftspläne. Aber es heißt: Es kann auch alles ganz anders kommen. Sei Dir nicht zu sicher. Setz Deine Segel, richte sie nach dem Wind aus, nimm Kurs auf Dein Ziel – und rechne mit vielen Unbekannten auf Deinem Weg.

 

Ricarda Rabe
Pfarrerin, Referentin
Kirchlicher Dienst auf dem Lande
der LK Hannovers
Archivstr. 3
30169 Hannover
Tel.: 0511 1241-475

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