Die Texte aus dem Buch 7×7 Morgenbriefing für Führungskräfte ermöglichen das Nachdenken über ein gängiges, mal außergewöhnliches Wort. Sie durchkreuzen das tägliche Handeln und wirken als Anregung für Geist und Seele. Die Autorinnen und Autoren gehören weitestgehend zum Evangelischen Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie arbeiten in den entsprechenden landeskirchlichen Fachabteilungen im Bereich der Führungskräftearbeit und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt.

Der erste Text, mit dem wir aus dieser Reihe starten, ist von Karl-Ulrich Gscheidle geschrieben.

Augenhöhe

Deine Augen sehen, was recht ist.
Psalm, 17,2

„Ich bin ihm oder ihr auf Augenhöhe begegnet.” Wer das sagt, der meint, dass eine Begegnung auf gleicher Ebene stattgefunden hat. Augenhöhe – das heißt gleiches Niveau. Nicht von oben herab, nicht von unten aufgeblickt in Ehrfurcht oder Angst. Augenhöhe – da schwingen Wertschätzung, Respekt und Anerkennung mit. Augenhöhe – das fühlt sich gut an, weil man weder zu groß gemacht noch zu klein gehalten wird.

Wie wichtig „Augenhöhe” im täglichen, aber auch beruflichen Miteinander ist, das hat der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth in seinem Hauptwerk „Kampf und Anerkennung herausgearbeitet. Sein Schlüsselbegriff ist die Anerkennung, die sich in verschiedener Weise äußert: in Liebe, in Solidarität und auch im Recht, das Menschen als Anzuerkennende schützt. Anerkennung in diesen drei Formen spielt in jedem Unternehmen eine Rolle. Aber auch ihre Schattenseiten, die Honneth als Vergewaltigung, Entwürdigung und Entrechtung beschreibt.

Ob Unternehmen Orte der Anerkennung werden und bleiben, entscheiden auch die Führungs- und Personalverantwortlichen. Sie können ein wertschätzendes und wohlwollendes Miteinander auf Augenhöhe fördern, indem sie es vorbildhaft leben. Sie können Haltung zeigen und sich schützend vor ihre Mitarbeitenden stellen, wenn diese mit verletzenden, herabwürdigenden oder missachtenden Machtinszenierungen konfrontiert werden. Sie können sich für eine Führungs- und Unternehmenskultur einsetzen, die verschlossene Blicke und Haltungen in interdisziplinären und interkulturellen Teams öffnet. Und sie dürfen dabei mit Gottes Augenhöhe rechnen, von der es in Psalm 17 heißt: „Deine Augen sehen, was recht ist.”

Karl-Ulrich Gscheidle

Karl-Ulrich Gscheidle
Wirtschafts- und Sozialpfarrer
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), Prälatur Reutlingen
Federnseestraße 4
72764 Reutlingen
Telefon: 07121-161771

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