Umfrage Publik-Forum Nr. 15 | 2022 – PRO und CONTRA
Gudrun Nolte, Vorsitzende des Evangelischen Verbandes Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt, zu der Frage “Gibt es zu viele Akademiker in Deutschland?”
Ja, die Ausbildung wird nicht geschätzt!
Die international gerühmte duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule steckt in der Krise: 2020 haben erstmals mehr junge Menschen ein Studium begonnen als eine Berufsausbildung. Dabei werden in Industrie, Pflege und Handwerk Fachkräfte dringend gesucht. Ohne Handwerkerinnen und Techniker für Wärmedämmung, Solaranlagen, Wärmepumpen scheitert die Energiewende.
Dahinter steht ein Imageproblem. Wir hören von jungen Menschen oder ihren Eltern: »Wenn man es zu etwas bringen will, muss es ein Studium sein.« Das stimmt so längst nicht mehr. Es steigen die Gehälter, es gibt flexiblere Arbeitszeiten, Qualifikation und Aufstieg. Doch es bleibt die gesellschaftliche Abwertung.
Ich bin gelernte Fachkrankenschwester; jetzt, nach einem Studium, leite ich den evangelischen kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt. Ohne die Berufsausbildung wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Die Einteilung in »einfache« und »bessere« Berufe hat schon Martin Luther kritisiert, der 1532 predigte: »Wenn du eine geringe Hausmagd fragst, warum sie das Haus kehre, die Schüsseln wasche, die Kühe melke, so kann sie sagen: Ich weiß, dass meine Arbeit Gott gefallt.« Das sollten wir von Luther lernen: Wir müssen die Berufe in Pflege, Erziehung oder Handwerk genauso schätzen wie einen akademischen Beruf. Dazu gehört auch ein lebenswertes Auskommen – Menschen in Ausbildungsberufen dürfen sich nicht wie Märtyrer für einen höheren gesellschaftlichen Zweck fühlen. Nur rund ein Drittel der Beschäftigten im Handwerk arbeiten in tariflichen Strukturen. Tarifverträge aber machen Ausbildungsberufe attraktiv.
Eine Ausbildung sollte ebenso der Türöffner für eine glänzende Karriere sein wie ein Studium.
Den gesamten Artikel können Sie hier lesen https://www.publik-forum.de/menschen-meinungen/zu-viele-akademiker-in-deutschland?idw=20229880
Gerne können Sie an der Umfrage teilnehmen.