„Gott würfelt doch“ Statement aus dem Online Forum „Gott würfelt nicht“ des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in der Badischen Landeskirche am 15.2.23: zum Thema „Der unfaire Kampf um die Arbeitskräfte ist entbrannt“: 

In naher Zukunft wird der Fachkräftemangel zu einem allgemeinen Mangel an erwerbstätigen Menschen werden. Jetzt schon sind ca.2 Millionen Stellen offen und viele Branchen suchen händeringend nach Arbeitskräften. Dieses Problem wird sich noch mehr verschärfen und ist aufgrund des eindeutigen demografischen Wandels unabwendbar. Neben der Suche nach grundsätzlichen marktpolitischen Lösungen (mehr Einwanderungen, höheres Rentenalter, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf) wird es einen jetzt schon deutlich spürbaren Wandel auf dem Arbeitsmarkt geben: Der Arbeitsmarkt wird zum Bewerbermarkt werden und dieser Bewerbermarkt wird immer stärker und schärfer umkämpft werden. Manche sprechen schon von einem „War of Talents“. 

Trotzdem, dass es in Deutschland weiterhin eine bemerkbare Zahl an Erwerbslosen und eine konstant hohe Zahl an Langzeitarbeitslose geben wird, wird der Bewerbermarkt dazu führen, dass Arbeitnehmende sich ihren Arbeitgeber aussuchen können. Stärkt das die Position der Arbeitnehmerinnen auf der eine Seite, sind die Arbeitgeber auf der anderen Seite dazu aufgefordert, sich bestmöglich zu präsentieren, attraktiv für die Bedürfnisse der Arbeitnehmende zu sein und auch besser Arbeitsbedingungen zu schaffen. 

Neben diesen positiven Effekten droht aber auch gefährliche Verzerrung. Obwohl z.B. Abwerbung im bestimmten Grenzen gesetzlich unproblematisch ist, gibt es dennoch gesetzliche und auch moralische Grenzen, die drohen überschritten zu werden. Hier ist es Aufgabe der Kirche, an eine faire „Werbepraxis“ zu erinnern, unangemessenen Druck auf Mitarbeitende oder unredliche „Lockangebote“ zu kritisieren. Dass ein Arbeitsverhältnis ein gegenseitiges „Passungsverhältnis“ ist, darf nicht vergessen werden. Ebenso ist aufmerksam zu beobachten, dass extreme Selbstdarstellungen von Unternehmen/Betrieben und Arbeitgebern in Verbund mit Firmen, die Arbeitgeber darin einseitig beraten, auf ein normales und ehrliches Maß reduziert werden. Es darf unter dem berechtigten Anliegen des „Employer Branding“ nicht zu blendenden Trugbildern kommen. Genauso müssen Arbeitnehmende aufmerksam sein, dass sie ihre Arbeit nicht nur nach eigenem Ermessen aussuchen und leben, sondern immer auch als etwas „Aufgegebenes“ betrachten können. Insbesondere die Kirche könnten den verschärften Bewerbermarkt als Chance nehmen, sich als attraktiver Arbeitgeberin zu entwickeln und zu profilieren, die einen Hauptaugenmerk auf eigene gute Arbeitsbedingungen legt. Gleichsam ist die Kirche Wächterin, dass der drohende „War of Talents“ nicht kriegerisch und aggressiv, sondern rein kompetitiv und ethisch fair geführt wird. Allen gemeinsam muss das Interesse sein, den Arbeitsmarkt so umzuformen, dass auch in Zukunft das Verhältnis von Arbeitskräften und Arbeit möglichst ausgeglichen und angemessen gestaltet wird. Gerade im Blick auf „externe Arbeitskräfte“ muss die Kirche ihre Integrationskraft mit ihrem spezifischen Wertekanon der Gesellschaft anbieten. 

Pfarrer Dr. Jochen Kunath, Leiter Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Baden und Studienleiter Wirtschaft und Arbeitswelt in der Evangelischen Akademie Baden 

 „Gott würfelt doch“ als PDF herunterladen.

Das nächste Online-Forum „Gott würfelt nicht“ findet am 19. April 2023, 13-14 Uhr statt. Nähere Informationen: www.gottistarbeit.de 

 

Pfr. Dr. Jochen Kunath

Leitung KDA und Studienleiter
für Arbeitswelt und Wirtschaft
an der Evangelischen Akademie in Baden
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