PREKÄRE ARBEIT

Prekäre Arbeit in der häuslichen Pflege

24-Stunden-Betreuung: Ein System, das Frauen ausnutzt

Die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt ständig (2024 zählen insgesamt 5,7 Millionen Menschen als pflegebedürftig). Die Betreuung und Versorgung alter Menschen stellen im Zuge der sich wandelnden gesellschaftlichen und familiären Strukturen ein bisher nicht gelöstes Problem dar. Genau hier klafft im deutschen Gesundheitssystem eine Lücke, sowohl mit Blick auf die vorhandenen Fachkräfte wie auch hinsichtlich der Finanzierung der Pflege.

Immer mehr ältere Menschen oder deren Angehörige suchen daher nach bezahlbarer Unterstützung in Betreuung und Pflege, um möglichst lange selbstbestimmt zuhause wohnen zu können. Sogenannte „Care-Migrantinnen“ decken diesen Bedarf: Zwischen 300.000 und 700.000 Care-Migrantinnen arbeiten in Deutschland. Meistens sind es Frauen, Betreuungskräfte aus Polen, Bulgarien und Rumänien, die mit dem/der Pflegebedürftigen in einem Haushalt leben. „Live In“ nennt sich das. Die Zahl beruht auf einer Schätzung der Beratungsstellen, vermutlich sind es aber weitaus mehr. Sie werden entweder von Privatpersonen oder von Vermittlungsagenturen angestellt und pendeln meist zwischen ihrem Herkunftsort und ihrem Arbeitsort in Deutschland, wo sie für einige Wochen oder Monate die Betreuung übernehmen. Viele von ihnen arbeiten unter prekären, ungeschützten Bedingungen. Soziale Isolation, hohe Arbeitsbelastung bei gleichzeitig niedrigen Löhnen, ungenügende soziale Absicherung und Abhängigkeit von Vermittlungsunternehmen sowie den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen stellen häufige Probleme dar. Der Arbeitnehmerschutz ist gering und die Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, sind deutlich eingeschränkt.

Was sich aus der Sicht der Care-Arbeiterinnen geändert hat in den letzten Jahren, ist die Einführung des Mindestlohnes. Jedoch bleibt die Frage nach der Arbeitszeit rechtlich unklar: Wie viele zu entlohnende Arbeits- und Bereitschaftsstunden leistet eine Care-Arbeiterin, wenn sie rund um die Uhr im Haushalt ist und auch in der Nacht abrufbar sein soll? Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von 2016 muss der durchschnittliche Stundenlohn für die Arbeitszeiten einschließlich der Bereitschaftszeiten wenigstens dem Mindestlohn entsprechen. Damit verbunden ist auch die Frage nach der Freizeit: Häufig werden den Care-Arbeiterinnen nur wenige Möglichkeiten geboten, um mal für eine längere Zeit zur Ruhe zu kommen, den Haushalt zu verlassen und sich von der Arbeit zu erholen.

Was tun, wenn die Eltern alt werden und eine Betreuung brauchen?

Die Situation für Familien von Menschen, die auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind, ist nicht einfach: Häufig stehen sie ziemlich allein da – auch was die Suche nach geeigneten Lösungen anbelangt. Es ist schwierig und mühsam, sich in dem Dschungel an Dienstleistungsangeboten zurecht zu finden. Häufig fehlen Anlaufstellen, die dabei unterstützen, informieren, koordinieren usw. und auch die finanzielle Unterstützung im Blick haben. Neben den medizinischen Pflegeleistungen, die über die Krankenversicherungen abgedeckt sind, bleiben die meisten nicht-medizinischen Pflege- und Betreuungsleistungen sowie die Unterstützung im Haushalt ungedeckt. Das heißt, sie müssen aus der eigenen Tasche finanziert werden.

Bis es in Deutschland eine soziale Absicherung für diese Art von Dienstleistungen geben wird, müssen Modelle der Care-Arbeit entwickelt werden, welche den Care-Migrantinnen faire Arbeitsbedingungen sichern und gleichzeitig verhindern, dass Betreuung zuhause nur den finanziell gut gestellten Personen offensteht, welche sich teure Lösungen von profitorientierten Vermittlungsagenturen leisten können.

Eine gute Alternative sind laut Verbraucherzentrale Fair Care (vij) und Cari Fair – zwei Organisationen, die zur Diakonie und zur Caritas gehören. Dabei treten die Familien als Arbeitgeber auf. Um Bürokratisches müssen sie sich aber nicht kümmern. Fair Care und Cari Fair übernehmen die Anmeldung beim Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern sowie die Lohnabrechnung. Das Angebot gibt es überwiegend in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Info-Telefon der Verbraucherzentralen zur „24-Stunden-Betreuung“
Telefon: 030 54445968
Montags und dienstags von 10:00 – 14:00 Uhr | mittwochs von 14:00 – 18:00 Uhr

Verträge können Sie bei der Verbraucherzentrale auf Risiken und rechtliche Fallstricke überprüfen lassen
Per Mail oder Post an die:
Verbraucherzentrale Brandenburg
„Grauer Pflegemarkt“
Babelsberger Str. 18
14473 Potsdam
info@vzb.de